2.3 Weitere Entwicklungsphasen des »style français«291strebt hatte, worauf auch Bleistiftnotizen im Manuskript (Ms. Mz. Nr. 1235)152 schließen lassen. Ernüchtert teilt er jedoch mit, er habe keinen Organisten gefunden, »aucun des organistes allemands de Bucarest n’a voulu prêter le concours et l’atten-tion nécessaire pour le réaliser«.153 Daher plane er die Umarbeitung des Werkes in ein »Concertino pour piano et orchestre de chambre«154 – ein Vorhaben, von dem die oben erwähnten Instrumentierungsvermerke zeugen. Sie skizzieren eine Orchestrie-rung der ursprünglichen Orgelstimme zunächst ausschließlich für Blasinstrumente, »Flauti«, »Clarinetti«, »Tromboni«, »Corni«, deren Klangfarbe also der gleichfalls aerophonen Tonerzeugung der Orgel am nächsten kommt. Umgekehrt können die-se Angaben ein wertvoller Anhaltspunkt für die Orgelregistrierung bei der Interpre-tation des Werkes sein. Einen weiteren Hinweis auf eine möglicherweise inoffizielle Aufführung gibt ein Brief Clara Haskils vom 18.08.1939: »Meine wärmsten Glückwünsche zu Ihrem Konzert für Orgel und Klavier. […] Sie haben mir nicht erzählt, ob Sie das Klavier an die Seite der Orgel oder die Orgel an die Seite des Klaviers gestellt haben und ob Sie von einem zum anderen gerannt sind?«155 Das Datum dieses Briefes, gleich mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung, wirft hingegen zeitliche Fragen auf.Die musikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werk ist bislang sehr ge-ring. Das Concerto pour orgue et piano wird vor allem als originell wegen der außer-gewöhnlichen Besetzung geschätzt. So weist Pușcaș darauf hin, dass es das erste Werk dieser Klangfarbenkombination in der rumänischen Literatur sei.156 Er sieht in diesen beiden Klangwelten »zwei paradigmatische Modi des musikalischen Den-kens«,157 da das pneumatische Prinzip auf den menschlichen Atem, d. h. die vokale Klangerzeugung zurückgehe, während die perkussive Klangerzeugung des Kla-viers dazu in Opposition stehe.158 Auch Theodor Grigoriu sieht den Bedeutungsge-halt dieser Komposition in der Solidität und der Eigenständigkeit des Ausdrucks,159 ohne allerdings weiter auf die Komposition einzugehen. Als erstes nach der Rückkehr nach Rumänien komponiertes Werk markiert das Concerto pour orgue et piano den Schlusspunkt von Lipattis kompositorischer Ent-wicklung in Paris, die mit dem Concertino en style classique begonnen hatte. Bei der 152Es handelt sich um Nummernangaben für eine unbekannte Orgel ohne nähere Registerbeschreibung.153Brief vom 17.03.1940 an Nadia Boulanger, Muzica 4/2000, S. 63; »keiner der deutschen Organisten in Bukarest wollte die Mitwirkung und notwendige Aufmerksamkeit aufbringen, um es zu realisieren«. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass Orgeln in Rumänien vor allem in ›sachsendeutschen‹ protes-tantischen Gemeinden zu finden sind, da die orthodoxe Kirchenmusik ausschließlich vokal ist und es deshalb auch kaum eine vergleichbare rumänische Orgeltradition gibt. 154Ebd.155Brief vom 18.08.1939, Steegmann / Rieger, 1996, S. 261.156Pușcaș, Pavel: Sonoritate, Limbaj și structura în Concerto pour orgue et piano de Dinu Lipatti, in: Dinu Lipatti. Contemporanul nostru, Caietul Simpozionului Internațional »Dinu Lipatti«, Bukarest 1996, S. 43.157A.a.O., S. 42; »două moduri paradigmatice ale gândirii muzicale«.158Vgl. ebd.159Vgl. Grigoriu, 1986, S. 85.