2.3 Weitere Entwicklungsphasen des »style français«303Wichtige Konturen sind die teilweise alterierten Quartintervalle e’- a’; a’- d’’; h’- e’’; e’’- b’, innerhalb derer sich die Melodik meist in Sekundschritten bewegt. Der imitie-rende Einsatz im Klavier ab Takt 8 erweitert die um sich selbst kreisende Melodik lediglich mit einem ebenfalls in sich geschlossenen Klang- und Tonraum. Eine um-deutende Entwicklung setzt jedoch in Takt 19 ein, indem aus dem Sekundfall der Sechzehntelschritte des Themenkopfes ein im Folgenden beibehaltenes Terzintervall mit Tonwiederholung wird.Notenbeispiel 86: Concerto pour orgue et piano, Biblioteca Uniunii Compozitorilor și Muzicologilor din România (Nr. 2692), 2. Satz, Takte 16-19.Auf diese Weise wird durch minimale Textänderung die Bewegung charakterlich verändert in eine Figur, die bei Lipatti häufiger in langsamen Sätzen Verwendung findet, so etwa dem Mittelsatz der Sonatine pour violon et piano und der Symphonie Concertante oder dem zweiten der Danses Roumaines.Höhepunkt ist ein markanter Einschnitt von melodischer Stagnation: Während sich die imitierende Themenführung in der Orgel weiter fortsetzt, stehen dem ab Takt 28 im Klavier statische Akkordfolgen entgegen, die zusätzlich Bitonalität be-wirken. So repetiert die Bassstimme fortlaufend bis zum Ende die Tonfolge eines oktavverstärkten verminderten Dreiklangs auf E unter einer Oberstimme, die ein Achtel-Ostinato der Oktave d’-d’’ mit chromatisch geführten und immer neuen Ak-kordvarianten des Tonraums füllt, als D-Dur, d-Moll, d5-, G6, A4, g-moll, gis5-, G4, G-Dur.