336WerkanalysenEbenso wie die schnellen Sätze im Concertino en style classique, der Fantaisie pour piano solo oder der Aubade stellt das rasende Tempo des »Presto« ( = 108) einen markanten Kontrast zu den von schreitendem Pulsieren getragenen Sätzen dar. Ab-gesehen von einigen Hemiolen dominieren tänzerisch-gleichförmige Rhythmen. Markant ist ein aus Nachschlägen und Betonung des Taktschwerpunkts in den Bassstimmen gebildetes Motiv, das, ähnlich wie im dritten Satz des Concerto pour orgue et piano, einer Drehorgel entstammen könnte und auf volkstümlich-triviale Schlichtheit anspielt. Nicht nur an diesen Stellen kommt die tänzerische Leichtig-keit, mit staccato-Verkürzung bei rasendem Tempo dem Charakter nahe, der in spä-teren Werken oftmals mit der Bezeichnung »giocoso« versehen wird. Das komplexe Gewebe aus imitierenden und sequenzierenden Motivabspaltun-gen mündet ab Takt 114 in einen Höhepunkt, der den blockhaft-kontrastierenden Stimmaufbau konsequent in Ostinatostrukturen weiterverfolgt: Belebten themati-schen Motivabspaltungen in Violoncello und rechter Klavierhand stehen ganztaktig gehaltene Ruhepole gegenüber. Während in der Violine oktavierte Sekundwechsel ostinat bestehen bleiben, finden sich in der linken Hand der Klavierstimme ostinate Setzungen von Tonfolgen, deren drei und vier Töne aufgrund ihrer unterschiedli-chen Länge immer neue Akkorde bilden. Eine Parallele zu minimalistischen Verfah-ren ist offensichtlich, da sich auf den vier stimmlichen Ebenen elementare Material-bausteine überlagern, die musikalische Steigerung durch Redundanz erreichen. Notenbeispiel 104: D. Lipatti: Fantaisie pour violon, violoncelle et piano, Biblioteca Uniunii Compozitorilor și Muzicologilor din România (Nr. 3383), 3. Satz, Takte 115–120.