2.4 Werke der rumänisch-französischen Stilsynthese 349Die 31 Takte des A-Teils sind geprägt vom Klangteppich oktavierender Sechzehntel-quintolen in der ein- bis dreigestrichenen Tonlage, deren Oszillieren die Trennung einzelner Notenwerte verschwimmen lässt. Innerhalb dieser Klangfläche entfaltet sich ein Terzmotiv, das sowohl rhythmisch frei wirkt, da es sich erst prozesshaft in den einzelnen Instrumenten entwickelt, als auch tonal phasenweise nicht eindeutig zuzuordnen ist. In der rhythmischen Gliederung der Sechzehntel-Quintolen inte-griert sich das Motiv atmosphärisch in den Gesamtklang. Aufgrund dieser offenen tonalen und melodischen Anlage sowie des Verzichts auf geschlossene Entwicklung kann kaum von einem abgrenzbaren Thema gesprochen werden. In Takt 21 geschieht der einzige Einschub romantisierender Klangentwicklung in diesem Satz, eine nach F tendierende Modulation mit entsprechendem Klangvolu-men in den Streichern. Auch in der Dynamik geschieht hier eine Entwicklung im crescendo zu mf, während der Anfang des Satzes nicht über pp hinausgegangen war. Ähnlich einem Epilog bilden die folgenden zehn Takte den Abschluss des A-Teils und die Überleitung zu Teil B. Die ungewöhnlichen, impressionistisch an-mutenden Vortragsbezeichnungen »harmoniques« und »lumineux«, also »leuch-tend«, die sich außer in diesem Werk auch in der Fantaisie pour violon, violoncelle et piano und in der Première Improvisation finden, zum Teil als Flageolett-Vorgabe, be-treffen vor allem die Klangfarbe, die außerdem in den Bratschen auf Grenzwerte ausgeweitet wird, da das verlangte h’’’ zu den höchsten der noch greifbaren Töne gehört. Der B-Teil bestätigt diesen Charakter mit der Klangfärbung »quasi celesta« in den gebrochenen Klavierakkorden sowie Liegeklängen in den tiefen Streichern. Sie bilden impressionistisch gearbeitete, fluktuierende Klangblöcke, die bei geringfügi-gen Veränderungen stabil bestehen bleiben. Durch nicht aufgelöste Vorhalte span-nungsreich aufgeladen, bilden sie die Grundierung, über der sich ein elegisches Thema, »molto espressivo«, entwickelt. Es ist harmonisch unbeständig, da es durch die Folge von verminderten Dreiklängen und Septakkorden die Modulation zum Prinzip erhebt. Dieses Thema ist die einzige melodische Konkretisierung in diesem Satz und geht über in die beiden einzigen Solotakte des Klavierparts, die jedoch kei-ne thematische Bedeutung erlangen. Sie leiten hin zu einer Überlagerung des moti-vischen Materials beider Formteile, die sich im solistisch besetzten Streichquartett vollzieht. Durch die Abspaltung immer kleinerer Motivsplitter bei jeweils größerem zeitlichen Abstand kommt es zum stufenweisen Ausklingen des Satzes, bis am Ende lediglich die kleine Terz steht, aus der heraus sich die Motivik des Satzes zu Anfang entwickelt hatte. Dieses Verfahren der Reduktion auf einen Motivkern, der sich im Nachhinein als Keimzelle erweist, findet sich in zahlreichen, vor allem langsamen, Sätzen Lipattis, so der Fantaisie pour violon, violoncelle et piano und dem Nocturne (en fa# mineur), der Fantaisie pour piano solo oder der Première Improvisation. Der Satz en-det in h-Moll; während der letzten drei Takte enthält das Klavier zwar die Durterz, doch ist diese im Schlussakkord kaum noch hörbar, und bestehen bleibt eine flüchti-ge Ahnung des Changierens zwischen Moll und Dur. Dieses tonale Fluktuieren, die geforderte Celesta-Wirkung, die rhythmischen Asymmetrien und die schillernd ar-