2.4 Werke der rumänisch-französischen Stilsynthese 365Ausrichtung. Dennoch zeigt sich hier die gegensätzliche oder aber komplementäre Seite von Lipattis Personalstil, die dem spielerisch-konstruktiven Kompositionsver-fahren der ausgesprochen neoklassizistischen Werke Concertino en style classique, Concerto pour orgue et piano, Symphonie Concertante wie der Tänze abgewandt einen von impressionistischen und statischen Elementen der rumänischen Volksmusik be-einflussten Stil des klangorientierten Innehaltens, »misterieux«, entwickelt, atmo-sphärisch verwandt der tonreduzierten Sprache des »melanconico«-Beginns der Fantaisie pour piano solo und des verhaltenen Nocturne (en fa# mineur). Formal trägt die Komposition, verstärkt durch den Flüchtigkeit suggerierenden Zusatz »Improvisation«, Züge einer Studie der Entwicklung von Klang, Tonalität, melodischer Struktur, des Erprobens von Bezügen, die in kurzen Abschnitten struk-turierend verschiedene Möglichkeiten sonorer Klangentfaltung exponieren, wie zur weiteren Verarbeitung in anderen Kompositionen bereitgestellt. Anstelle themati-scher Entfaltung reißen die begonnenen Melodiefäden abupt ab. Die Première Impro-visation kann als Bestandsaufnahme von Verarbeitungsweisen auch im Sinne impro-visatorischen klanglichen Ausprobierens verschiedener kompositorischer Sphären als ein Zwischenstadium aufgefasst werden, das verknüpfend auf nachfolgende, aber auch auf bereits komponierte Werke, etwa Nocturne (Thème moldave) und Fan-taisie pour violon, violoncelle et piano verweist. Unterstellt man die besondere Aussa-gekraft solcher Zwischenschritte, die ja den Blick auf eine bewusste Intention, einen Weg hin zu bestimmten Kompositionsweisen freigeben und einen Entwicklungs-schritt definieren, so erweist sich die Première Improvisation als bedeutsame Keimzel-le und als Schlüssel für nachfolgende Kompositionen, in denen ähnliche komposito-rische Verfahren nachdrücklicher weiterverfolgt werden. So liegt eine Faszination des kurzen, komprimierten Stückes darin, dass es in dieser knappen, prägnanten Dichte vieles von dem vorwegnimmt, was in den nachfolgenden Werken breiter entfaltet wird. 2.4.4 Fantaisie pour piano solo op. 8Die Madeleine Cantacuzène gewidmete Fantaisie pour piano solo op. 8 datiert laut Manuskript256 vom Mai 1940 und wird von Lipatti selbst am 12.05.1941 im Bukares-ter Athenäum in einem Konzert anlässlich des 20jährigen Bestehens des Komponis-tenverbandes uraufgeführt. Aus einer Skizze Lipattis und einzelnen Orchestrie-rungsnotizen im Klaviermanuskript geht hervor, dass er die Umarbeitung zu einer Symphonie plant.257 Madeleine Lipatti bezeichnet die Fantaisie pour piano solo dementsprechend als »très importante«.258Trotz der positiven Resonanz bei der Erstaufführung geriet das Werk in Verges-senheit und wurde erst 50 Jahre später im Dezember 1992 von Viniciu Moroianu259 256Archiviert unter (Rmg 617) in der Biblitothek des Conservatoire de Musique de Genève.257Madeleine Lipatti bestätigt dieses Vorhaben (vgl. M. Lipatti, 1951, S. 15). 258Ebd.259U. a. in Berlin bei einem Gedenkabend zum 50. Todestag Lipattis im Dezember 2000 an der Hoch-schule der Künste. Vgl. auch Dimulescu, Fausta: Fantezia pentru pian op. 8 – o pagină inedită din