370WerkanalysenDer Vivace-Teil bringt einen schroffen Stimmungswechsel. Beiden thematischen Ideen der Fantaisie gemeinsam ist jedoch die metrische Flexibiliät: Zwar ist jeweils ein 4/4- bzw. 3/4-Takt vorgezeichnet, doch bewirken die Akzentuierungen ständige Schwerpunktverschiebungen, so dass kein einheitliches Metrum empfunden wird. Die gegensätzlichen Charaktere beider Motive verschmelzen in einer neuen Phrase, die ab Takt 77 beginnt und die Konzentration auf Einzeltöne und Sekundschritte des ersten Motivs mit der Perkussivität, Lebendigkeit und dem Tempo der zweiten Thematik verbindet. Kernstück ist eine frappierende, harmonisch farbgebende Rückung von einer der ersten Thematik nachempfundenen, beschleunigt pendeln-den Sekundbewegung f-es nach fis als Terz von D-Dur. Dieses erste und entschiede-ne Auftreten einer Dur-Tonart ist ein neuer motivischer Baustein, der in den folgen-den Sätzen wieder aufgenommen werden wird. In diesem Fall dient der D-Dur-Takt jedoch als Überleitung zu einer erneuten Passage von Tonrepetitionen, die sich über die Länge von 13 Takten erstrecken und mit dem Ton as wiederum auf der Ebene der Tritonus-Verwandtschaft bewegen. Notenbeispiel 122: D. Lipatti: Fantaisie pour piano solo, Editura Muzicală, 1999, 1. Satz, Takte 77–87. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Editura Muzicală.Es folgt eine aufwärts sequenzierende dolce-Veränderung des Kopfmotivs, die mit ihrer legato-Artikulation, farbenreichen Modulationen und der akkordischen Dichte Assoziationen an die Klanglichkeit der pianistischen Werke Ravels oder Debussys weckt. An dieser Stelle ist ein letzter Höhepunkt erreicht. Nach einer angedeuteten Reprise des Anfangsostinatos, diesmal auf ais, stehen am Ende des Satzes, in einem