388WerkanalysenIn Takt 370 werden wie im ersten Takt des Nocturne (Thème moldave)277 zwei Se-kundwiederholungen überlagert, die in der Fantaisie jedoch auch rhythmisch den Werkbeginn in Erinnerung rufen:Zuvor jedoch kommt es zur extremen Steigerung, die in Takt 369 zum eigentli-chen energievollen Schlusspunkt des Stückes in strahlendem Fis-Dur führt. Notenbeispiel 142: D. Lipatti: Fantaisie pour piano solo, Editura Muzicală, 1999, 5. Satz, Takte 369–370. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Editura Muzicală.Die folgenden Takte sind ein abermaliges Zurückblicken, eine dynamisch zurückge-nommene Wiederaufnahme der soeben apotheotisch verklungenen Repetitions-motive, die eben diesen strahlenden Charakter wieder revidieren: Die Tonart wech-selt von Dur hin zum phrygisch gefärbten Moll und der Schlussakkord klingt bis zum akustischen Ende aus.Zwei Monate vor der Fertigstellung der Fantaisie pour piano solo schreibt Lipatti einen Brief an Nadia Boulanger, der seinen niedergeschlagenen Gefühlszustand und seine angegriffene Gesundheit zum Ausdruck bringt. Er spricht von einem künstlerischen Stillstand aufgrund der politischen Ereignisse sowie mehrmaliger Er-krankungen, »cet état dont je souffre et qui m’oblige a mener une vie autre que celle rêvé par moi«.278 Diese Ernüchterung kann eine Erklärung dafür sein, dass die Fan-taisie pour piano solo, ebenso wie die 1939 komponierte Premiere Improvisation, nicht den unbeschwerten Charakter trägt wie das 1939 entstandene Concerto pour orgue et piano und die 1941, also ebenfalls während des Krieges, komponierte Sonatine pour piano (main gauche seule).Andererseits beginnt Lipatti in derselben Zeit die humoristische und ironische, ausdrücklich nur für den privaten Rahmen konzipierte Suite Les Soirées du Parc Jia-nu. Trotz ähnlicher kompositorischer Elemente in diesen Werken ist in der Fantaisie 277Vgl. IV.2.2.1 »Nocturne (Thème moldave)«.278Brief vom 17.03.1940 an Nadia Boulanger, Muzica 4/2000 S. 63; »dieser Zustand, unter dem ich leide und der mich zwingt, ein anderes Leben als erträumt zu führen«.