400WerkanalysenNocturne Das »Nocturne« ist das ruhige Zentrum der Aubade. Der Titel kann als typisch im Sinne eines Charakterstücks gedeutet werden, wie es z. B. in der Serenade erscheint. Diese Deutungsweise korreliert mit der Anlage der Aubade als unterhaltendes, anlassgebundenes Ständchen im Freien. Im Rückgriff auf diese historische Form zeigt sich ein weiterer neoklassizistischer Ansatz der Komposition.Der Verlauf des Stückes hebt sich von den anderen Sätzen durch seine monothe-matische Struktur und eine fließende Entwicklung ab, die den kontrastreichen Pas-sagen von »Prélude« und »Danse« entgegengesetzt sind. Eine Gliederung des Stückes in mehrere Abschnitte ist nur bedingt sinnvoll. Nach einer einleitenden Bewegung und der Vorstellung des Themas beginnt eine Fortspinnung in dynamischer Steigerung hin zu Takt 58, wo sich die Artikulation der tragenden Viertelnoten subito hin zum akzentuierten Forte verändert. An dieser Stelle ist fast die Hälfte des Stückes erreicht, in Beschaffenheit und Vielschichtigkeit des Materials und den Techniken seiner Verarbeitung beginnt jedoch erst hier ein kulminierender Aufbau in Dichte und Intensität. In Takt 71 ist mit ff und einer punktiert abgesetzten Artikulation, die an rhythmische Strukturen der voran-gegangenen Sätze erinnert, der Höhepunkt des Stückes erreicht. Eine zehntaktige Überleitung zur breit angelegten Reprise beginnt in Takt 76, dem Takt, der den »Goldenen Schnitt« des »Nocturne« markiert. Die Gewichtung der einzelnen Formteile ist im Vergleich zum »Danse« genau umgekehrt proportioniert. Dort war der zentrale, verarbeitende Teil dominant, während das »Nocturne« ohne die erwähnte Überleitung lediglich 18 Takte, in der Relation zur Gesamtlänge ein knappes Sechstel, auf die motivische Kontrastierung zur melodischen Hauptthematik verwendet. Daher wird auch eine dreiteilige Form höchstens angedeutet. Diese redundante Behandlung des zugrunde gelegten melodischen Themas unterstützt die Ausstrahlung des Satzes als besinnendes Innehalten, wodurch das »Nocturne« als Zurücknahme der Spannung das abschließende »Scherzo« vorbereitet. Dem »Nocturne«-Thema geht eine thematische Hinführung durch eine sechstak-tige, rhythmisch ostinate Bewegung dreier Begleitinstrumente voran, über der die Oboe mit dem Thema als zentralem melodischen Gedanken einsetzt. Die Takte 7 bis 12 zeigen die prozesshafte Entwicklung des Themas über der Begleitfigur: