410SchlussresümeeLipatti als Komponist der zweiten Generation der rumänischen Schule knüpft an die ihm zeitgenössisch begegnenden Entwicklungen der französischen und der ru-mänischen Musik an: Eine überraschende Erkenntnis ist z. B., dass Lipatti in seinen frühen Pariser Studienjahren durchaus Kompositionsverfahren der Zwölftönigkeit erprobt, diese unbedenklich und widerspruchslos mit neoklassizistischen und mo-dalharmonischen Prinzipien verschränkend. 298Die Ausgangspunkte für die Analysen der Kompositionen, »style roumain« und »style français«, zurückgehend auf Lipattis eigene Kategorisierungen, zielen auf die Fragen nach der Bedeutung und der Wertung beider Ebenen. Die Werkanalysen lassen die tragende Funktion der rumänischen Ausdruck-sebene als Ausgangspunkt und kompositorisches Fundament erkennen, während die französischen Komponenten vor allem Träger der Weiterentwicklung sind. Eine Trennung beider Stilebenen zum Zwecke größerer analytischer Schärfe kann des-halb nur als Zwischenschritt sinnvoll sein und dient letztendlich der Erkenntnis, wie sich im zunehmend untrennbaren Zusammenspiel beider Komponenten die kompositorische Weiterentwicklung Lipattis im Sinne der europäischen Moderne vollzieht. Die folgenden Thesen zu den ausgewerteten stilistischen Ebenen fassen die auf Basis der Analysen in den Werkkapiteln gezogenen Schlussfolgerungen in Bezug auf den Erwerb einer über beide Stilebenen hinausweisenden, zeitgenössischen Mu-siksprache zusammen.298 Vgl. IV.2.4.1 »Fantaisie pour violon, violoncelle et piano«.