1Die Aspekte des »style roumain« im Hinblick auf eine rumänisch-französische Stilsynthese– Nach Lipattis programmmusikalischen Frühwerk Șătrarii (1934), mit dem er sich mit einer noch romantisch geprägten Tonsprache und dem semantisch eindeutigen, wenn auch innerhalb der rumänischen Schule nicht unumstrit-tenen Topos der »Wanderzigeuner« in der Nationalschule positioniert, ver-folgt er mit Unterstützung Joras und Dukas’ in den Nachfolgewerken einen Prozess der kompositorischen Neuorientierung. Die Lehre Strawinskys und Boulangers eröffnet Perspektiven, volksmusikalische Elemente auf der Mate-rial- wie Verfahrensebene bewusst im Sinne einer »universal« gültigen Kom-positionssprache zu »legitimieren«. – Die Verarbeitung von Volksmusik bei Lipatti beinhaltet gleichermaßen die als ursprünglich-»authentisch« und städtisch bereits beeinflussten »populari-sierten« Traditionen der rumänischen Bauern und Hirten einerseits wie der Lăutari bzw. Țigani andererseits. Diese von vielen Musikethnologen betonte Unterscheidung ist für Lipatti offenbar nachrangig, bzw. scheinen die verar-beiteten Materialien ihrerseits auf authentische Weise seiner musikalischen Gegenwart und Wahrnehmung zu entsprechen: Modale Skalen mit über-mäßigen chromatisierten, zum Teil fluktuierenden Tonstufen, etwa die »ru-mänische Skala«, tonale Offenheit, Changieren zwischen Dur- und Mollterz, charakteristische Tanzrhythmen mit Țiitură-Wechselbässen, bordunartigePedaltöne, bewegte Liegeklänge, Glissandi, Flatterzungen-Artikulation gehö-ren zu den durchgängigen Kennzeichen in Lipattis Kompositionen. Die kom-positorische Weiterentwicklung zunehmend neoklassizistisch verarbeiteter volksmusikalischer Elemente, etwa der von Lăutari geprägten Tanzgattun-gen in den Danses Roumaines auf der einen Seite und Rückbezug auf mono-dische Ursprünge der Bauern- und Hirtenmusik z. B. in heterophonen An-deutungen der Fantaisie pour piano solo auf der anderen Seite, vollzieht sich zeitlich parallel. – Eine Neubewertung volksmusikalischer Elemente zeigt sich auf der Ebeneeiner Abstrahierung: Zunehmende kulturelle Verschränkung ist daran ables-bar, dass Material- und Verfahrensebene kompositorisch voneinander ge-trennt werden. Wurden in den frühen Werken etwa Țiitură-Schemata, spezi-fische Intervall- oder Rhythmuskonstellationen und charakteristische Artiku-lationsformen ihrer Semantik entsprechend verarbeitet, werden sie in späte-ren Werken zunehmend als Materialbausteine isoliert und verfahrenstech-nisch aus ihrem Kontext gelöst. Beispiele sind etwa die Verarbeitung volks-