413 Auch hier liegen der Unterschied und die Progression in der stilistischenVerschränkung auf der Verfahrensebene, die ostinate Strukturen mit daraus resultierenden bitonalen Überlagerungen ebenso nutzt wie rhythmischeVerharrungstechniken und das Prinzip permanenter Variierung desselben Motivmaterials.– Die personalstilistische Bedeutsamkeit rumänischer Elemente weist weit über die verfolgten Entwicklungsphasen des »style roumain« hinaus. Neben der Verwendung spezifischer Formeln und Ausdrucksmuster, sei es die aus der Colindă-Melodie entwickelte »Formel der chromatischen Rückwendung«, seien es Chromatisierungen, die sich zu eigenständigen Klangblöcken ver-selbstständigen oder auffällige Tritonusbeziehungen, entwickeln sich tragen-de Prinzipien, in denen die gegenseitige Durchdringung volksmusikalischer und neoklassizistischer Kennzeichen deutlich wird: Die Komprimierung mu-sikalischer Gedanken und umgekehrt die allmähliche thematische Gestalt-werdung aus einer unspezifischen Klangmotivik heraus, stereotype Setzung und Beibehaltung von Begleitformeln, stark bewegte Motorik, die verspielte Arbeit mit einfachen Grundbausteinen und rhythmischen Asymmetrien,polyrhythmische Texturen, bi- und polytonale Überlagerungen – Verfahren, die sich zum Teil im Sinne des »Stil barbaro«1 deuten lassen. Es handelt sich niemals nur um einen rein formalistischen Umgang mit Materialien, viel-mehr vermittelt sich eine kompositorische Identität, die ihre rumänischen Wurzeln nicht negiert. In ähnlicher Weise verbinden sich schlüssig impres-sionistische und volksmusikalische Prinzipien des Unkonkreten: Chroma-tisch fluktuierende Liegeklänge, instabile tonale Bezüge, fließende Formver-läufe, motivische Schemenhaftigkeit und das chromatische Gesamt in Fort-spinnung und Modulation. Die eigentliche Synthese liegt in der Reziprozität einer Verfremdung des volksmusikalischen Materials einerseits und der Wei-terentwicklung einer tendenziell neoklassizistisch ausgerichteten Komposi-tionstechnik andererseits, bereits anknüpfend an Verfahrensweisen Stra-winskys, Bartóks oder Enescus.1 Vgl. III.2.5.1.2.3 »Stil barbaro«.