Einleitung Die Allgegenwart von Musik, der selektive meist emotional motivierte Zugriff auf sie von jedem Ort und zu jeder Zeit durch vernetzte digitale Kommunikationstech-nologien bestimmen das mittlerweile gängige mediatisierte Rezeptionsverhalten. Abseits der Veränderungen dieses Konsumverhaltens und seiner Auswirkungen auf das Musikleben ist die Transposition des Mediums Musik auf eine dynamisierte und virtualisierte Welt von Interesse: die Übertragung von spezifischem Denken, Empfinden und Verhalten vorrangig der körperlichen, hedonischen Basis der musi-kalischen Gestaltung und des musizierenden Verhaltens auf die Generierung einer elektronischen und digitalen Welt sowie die körperliche Interaktion mit ihr im darin musikalisierten Alltag der digital culture. Medienkunst wird als eine Form der Neuen Künste aus dem Bereich der Bildenden Kunst mit Bedacht auf ihren hochkulturellen Status theoretisch und praktisch betrieben. Musik wird mit ihr selten in Zusammenhang gebracht, Pop-Musik gilt als Feindbild. Trotz aller Bekundungen zur Öffnung der Künste in den Alltag und zur Schaffung einer horizontalen Gesellschaft erscheinen die Avantgarden als elitär und erkennen den Vollzug dieser Intention im Pop nicht an. Ein zweifacher Tabubruch scheint notwendig zur Etablierung einer adäquaten Theorie der Neuen Künste, und diese ist nicht die Modifikation einer Theorie der bildenden Kunst, sondern die Erstellung einer Alternativtheorie, die Theorie der Musik und ihrer hedonischen Gestaltung. Die bildende Kunst hat im Futurismus mit der Darstellung der Dynamik die Über-windung des Statischen, mit der Abstraktion die Abkehr vom ikonisch Konkreten, im Informel einerseits und in algorithmischer Anordnung andererseits die Loslösung von ans Abbild gebundenen Gestaltungsformen erkundet und sich im informellen, kollektiven Schaffen systemischen Vorstellungen der Gestaltung aus Kommunikation abseits mechanischer Ursache-Wirkungs-Gefüge genähert. Als digitale Kunst begibt sich die bildende Kunst auf die Ebene der Codes, derer sich Musik bedient, um ihre Flüchtigkeit zu überwinden. Durch die Willkürlichkeit der Zuordnung von Codes zu Klängen wird jede Subjekt-Objekt-Relation unterbunden. Damit ist das Konzept des von der Materialität abgekoppelten Werks denkbar geworden. Die Bildende Kunst hat als digitale Kunst Gestaltungsweisen und Existenzformen der Musik angenommen; der von ihr geforderte Paradigmenwechsel ist ihre Musikalisierung. Die Argumentation zur Annahme der Alternativtheorie, ist die primäre Intention der Arbeit. Diese historische Wandlung der Künste steht auf einer systematischen Basis. Es gibt philosophische Hinweise, die grundsätzlich Denken aus sinnesspezifischer Wahr-nehmung herleiten. Dabei wird Kausalität und finales Denken, das mechanistische System, mit der visuell kontrollierten Wahrnehmung der Dinge in Zusammen-hang gebracht. Hingegen wird die aus der Wahrnehmung des Schalls abgeleitete phylogenetisch ältere Denkweise als solche angesehen, die in einer zunehmend non-mechanistischen Gesellschaft und ihrer Künste dem Verständnis der Systeme der