16 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen wollten nicht Baumeister scharfsinniger Systeme sein; sie waren vielmehr vor allem Wahrheitssucher, wie die Wissenschafter« (POPPER 1977, S. 14–15). POPPER warnt am Beispiel der Philosophie vor der Faszination des Besonderen und führt die politischen Implikationen des Elitedenkens an. Er postuliert die Zuwendung sowohl der Philosophie als auch der (gesamten) Wissenschaft zu Alltagsproblemen, mit denen jeder Mensch konfrontiert ist, die aber meist vorurteilshaft »gelöst« werden. »Solche Theorien sind die Ausgangspunkte aller Wissenschaft und aller Philosophie. Sie sind unsichere Ausgangspunkte. Jede Philosophie muß mit den unsicheren und oft verderblichen Ansichten des unkritischen Alltagsverstandes anfangen. Ziel ist der aufgeklärte, kritische Alltagsverstand, die Erreichung eines Standpunktes, der der Wahrheit näher ist, und der einen weniger schlimmen Einfluß auf das menschliche Leben hat« (POPPER 1977, S. 16). Was für das Motiv gilt, gilt gleichermaßen auch für die Beziehung der Position des Forschenden zum Gegenstand der Forschung. Berufsmäßige europäische Philosophie glaubt »ganz im Gegensatz zu Sokrates an die Theorie der Elite. Während Sokrates von einem Staatsmann Weisheit verlangte, und damit meinte, daß er sich darüber klar sein sollte wie wenig er wisse, forderte Plato, daß der weise, der gelernte Philosoph ein Staatsmann, ja ein absoluter Herrscher sein sollte. (seit Plato ist der Größenwahn die am weitesten verbreitete Berufskrankheit der Philosophen). Im ›zehnten Buch der Gesetze‹ führt er sogar eine Institution ein, die zum Vorbild der Inquisition wurde; und er war sehr nahe daran Konzentrationslager als Mittel zu empfehlen, um Andersdenkende zu kurieren« (POPPER 1977, S. 12–13). Auch in der Wahl der Methode liegt die Gefahr, das Besondere und sich selbst als Forscher als einen Besonderen auszuweisen. Zusätzlich zur Mahnung im Hinblick auf die Überheblichkeit in der Wahl des Gegenstandes, warnt POPPER vor der Verselb-ständigung der Methoden; sie sollten nicht gewählt werden ohne die Besinnung auf ihre Adäquatheit auf Gebieten wie Philosophie und wohl auch Kunst-Wissenschaften nicht: »Präzision und Exaktheit sind keine intellektuellen Werte an sich, und wir sollten nie versuchen, präziser und exakter zu sein, als es das vorliegende Problem erfordert« (ebenda, S. 15). »Ich halte Philosophie nicht für ein Mittel, zu zeigen, wie gescheit man ist« (ebenda, S. 15). Die Normierung des Forschungsvorganges der Naturwissenschaften gebietet dem ideologischen Gebrauch gegenüber gewissen Einhalt. Von der Auswahl des Gegenstandes der Erkenntnis bis zur Bestimmung »beantwortender« Methoden sind dem Forscher Kontrollen auferlegt, die hinsicht-lich der Allgemeingültigkeit und der Objektivität die Ausgrenzung des Besonderen versuchen – der ideologische Gebrauch von Forschungsergebnissen ist dadurch nicht ausgeklammert. 1.1.2 Das Besondere als das Erhabene der Form und des Denkens Theodor W. ADORNOs Ästhetische Theorie (ADORNO 1970), am Kriterium des sozial Wahren, des Nicht-Funktionalen und somit ideologisch nicht Gebrauchbaren, und nicht des Schönen orientiert, ist eine »implizite Theorie des Erhabenen« (WELSCH 1993, S. 114ff) dessen Erhabenheit eine Eigenschaft der Form ist und nicht des Gegenstandes oder des Inhalts.