1.1 Beobachtung 17 »Adorno wendet sich gegen den Kult von Werken, ›die sich mit irgendwelchen erhabenen Vorgängen beschäftigen‹ (ebenda, S. 224). Erstens ist, was darin für erhaben gilt, ›meist nur Frucht von Ideologie, von Respekt vor Macht und Größe‹ (ebenda), und zweitens liegt hier eine Verwechslung von Inhalt und Form vor. Während Erhabenheit dem Formgesetz der Kunst entspringen müßte, wird sie durch Bezugnahme auf ›große Stoffe‹ oder ›erhabene Vorgänge‹ bloß erschlichen. Die Falschheit dieses Verfahrens wurde in der Moderne offenkundig, als zutage trat, daß auch geringste Gegenstände zu Bildern von höchster Intensität führen können. Seitdem ist klar, daß die Authentizität der Werke nicht an ›Relevanz ihrer Gegenstände‹ hängt (ebenda), sondern der Form der Werke sich verdanken muß. Im Hinblick auf das traditionelle Erhabene gilt: ›Was als erhaben auftritt, klingt hohl‹ (S. 294); diesbezüglich ist Napoleons Satz, ›vom Erhabenen zum Lächerlichen sei nur ein Schritt‹ (S. 295), geschichtlich wahr geworden« (WELSCH 1993, S. 116–117). Um ernsthaft zu bleiben »wurde das Erhabene [deswegen] der Komik anvertraut« (WELSCH 1993, S. 117). ADORNO sieht in KANT einen hellsichtigen Vorboten der Transformation des Begriffs Erhaben, indem er das Erhabene der Natur und nicht auch der Kunst zuschreibt, auch wenn »Kant diesen trefflichen Schritt auf dem Boden eines falschen Konzepts und damit eher zufällig als aus Einsicht [tat]. Denn auch Kant hat den Begriff des Erhabenen noch, wie es zu dessen traditioneller Fassung gehörte, mit dem überwältigend Großen identifiziert und somit ›ungebrochen seine fraglose Kom-plizität mit Herrschaft bejaht‹ (ADORNO 1970, S. 296): ›Erhaben sollte die Größe des Menschen als eines Geistigen und Naturbezwingenden sein‹ (ebenda, S. 295). Genau dieser bombastische Begriff des Erhabenen aber erwies sich geschichtlich als unhaltbar. Von dieser heroischen Fassung des Erhabenen, die den Menschen qua Geistwesen zum Bezwinger und Beherrscher von Natur erklärte, gilt es Abstand zu nehmen« (WELSCH 1993, S. 118). Adorno sieht in Kant auch einen frühenWarner vor den Implikationen des Erhabenen, denn »Kants Askese des Ästhetisch-Erhabenen antizipiert objektiv die Kritik des heroischen Klassizismus und der davon derivierten Kunst« (ADORNO 1970, S. 296) Die Einsicht in die Begrenzung, »wie wenig wirklich die Wirklichkeit ist« (LYO-TARD 1988, S. 199), markiere Moderne als »Erschütterung des Glaubens« an die Erkenntnis einer objektiven Wirklichkeit (LYOTARD 1988, S. 199). Dieses Essentielle der modernen Geisteshaltung beschreibt LYOTARD als das Gefühl der »Erhaben-heit «. »Es hat statt, wenn die Einbildungskraft nicht vermag, einen Gegenstand darzustellen, der mit einem Begriff, und sei es auch nur im Prinzip, zur Übereinstim-mung gelangen könnte« (LYOTARD 1988, S. 199). »Modern nenne ich die Kunst, die ihre ›kleine Technik‹, wie Diderot sagen würde, darauf verwandte zu zeigen, daß es ein Nicht-Darstellbares gibt« (ebenda, S. 200). »So wird das Erhabene in Lyotards Verständnis zur Matrix und zum Motor einer unabsehbaren Reihe von Möglichkeits-und Wirklichkeitsexperimenten« (WELSCH 1993, S. 91), das letztlich dem Denken nur zugänglich ist. »Die Kunst der Avantgarde ist eine Kunst des Erhabenen und des Denkens zumal« (WELSCH 1993, S. 90). Damit hat sich Lyotard nicht um das Metaphysisch-, sonder das Kritisch-Erhabene (vgl. PRIES 1989, S. 28) bemüht. Was LYOTARD in der Entwicklung der Künste ortet, der Versuch, das »Nicht- Darstellbare nur als abwesenden Inhalt anzuführen« (LYOTARD 1988, S. 202),