18 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen wird in der Problematisierung der Wahrnehmung als Methode der Empirie in den Naturwissenschaften erforscht. Im Anspruch um die Erkenntnis von Wirklichkeit bzw. im Wissen um deren Konstruktion durch die Wahrnehmung berühren sich Naturwissenschaft und Medienkunst am gemeinsamen Interesse an Wahrnehmung. »Daß die Form dank ihrer Erkennbarkeit dem Leser oder Betrachter [. . . ] Anlaß von Lust ist.« (ebenda, S. 202) ist eine Vorwegnahme jener motivationalen hedoni-schen Kraft, der inhaltlosen Formkunst, wie Musik sie prinzipiell darstellt; wie die digital arts – basierend auf codes – es sind. Damit mutiert eine Vorstellung von einer Kunst der vermittelnden Zeichen zu einer Kunst der Stimulation durch syntaktische Elemente. Die Theorie der experimentellen Ästhetik trägt diesen Gedanken Rech-nung als naturwissenschaftliche Disziplin – als Folge der Ästhetik »von unten«, als Vorreiterin der Einsicht in die Ordnung der durch Willkürlichkeit gekennzeichneten digitalen Künste der Codes. 1.1.3 Die Be-ob-Achtung des Allgemeinen in der Wissenschaft Die Wendung vom Besonderen zum Allgemeinen ist mit dem Bemühen um das Finden von gesetzesähnlichen Aussagen in den Naturwissenschaften gekoppelt. Der Wiener Kreis ist die ideologische Wiege der Beobachtung des Allgemeinen und der Formulierung von Methoden zur möglichst objektiven Wahrnehmung von Wirklichkeit und damit der Wissenschaftstheorie der empirischen Wissenschaften. Damit ist die Problematisierung der Schaffung von Wirklichkeit durch die Wahrneh-mung impliziert, es geht um die Konstruktion der Wirklichkeit durch Wahrnehmung, wie sie in den Künsten in der Folge des Wiener Kreises in der Wiener Gruppe in den sechziger Jahren erdacht und wie sie später vor allem in den Medienkünsten mit technologischen Medien weiter geführt wurde. Die Möglichkeit zur Echtzeit- Aufzeichnung des bewegten Bildes mit Video hat diese Diskussion aktualisiert, da sie den unmittelbaren systematischen Vergleich unterschiedlicher Ausschnitte und damit verschiedene Betrachtungsweisen der Welt bot; die Echtzeit-Übertragbarkeit des Videobildes erbrachte die Irritation der Erlebnis-Größe Raum als Resultierende von Bewegung und Zeit. Gegenstand einer auf das Auffinden allgemein gültiger Gesetze orientierten Wis-senschaft ist die Wahrnehmung des Allgemeinen, nicht mehr des Besonderen. In der Kunst wird aus dieser Haltung in weiterer Folge die Zuwendung zum Alltäglichen. In der Wissenschaft wurde im methodischen Zugang das Besondere zugunsten des Allgemeingültigen als Errorvariabilität eliminiert. Die Kunst löst sich von ihrer traditionellen, an Elitedenken gebundenen, die Herrschaftssysteme affirmierenden Hochkultur und öffnet sich hin zur Alltagskultur, die ihrerseits die auf Massen-konsum orientierten kommerziellen Systeme verstärkt. In der Methodik wie am Gegenstand von Wissenschaft und Kunst zeigt sich ein Wandel der Ideologie. Die empirischen Naturwissenschaften sind wesentliche Katalysatoren der zu-nehmenden gesellschaftlichen Orientierung am Allgemeinen. Mit der Übertragung der naturwissenschaftlichen Methode, dem Blick auf das Allgemeine als Methode der Prüfung gesetzesähnlicher Aussagen, auf human- und sozialwissenschaftliche Bereiche, wird der methodische Fokus mit einem ideologischen verknüpft: Die Be-ob- achtung des Allgemeinen impliziert die Be-achtung des Allgemeinen. In der