22 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen umgeben sind, sondern Elemente alltäglicher Gegenstände sind – ihr Aufmerk-samkeitswert, ihr Neuheitswert wird als erregend, ein mittlerer Grad an Erregung als angenehm erlebt. Dieses hedonische Erleben bestimmt allgemein ästhetisches Erleben. Welche Sehnsucht die Welt der Künste auch immer geleitet haben mag, ihre christ-liche Basis hat unsere Kultur dominiert. Das Eingeständnis der Unzulänglichkeit des eigenen menschlichen Seins hat die Sehnsucht nach dem Besonderen verstärkt und nach außen projiziert. Eine Denkart der stellvertretenden Befriedigung, der Hingabe an das Besondere und damit letztlich der lustvoll erlittene Gehorsam einem ersehnten Führer gegenüber wurde kultiviert. Der Weg zurück ist steinig, es ist der Weg mitteleuropäischer Hochkultur durch das 20. Jahrhundert, von politischen und sozialen Handlungen, wissenschaftlichem Denken und künstlerischem Tun geprägt, in dem das Besondere allmählich durch das Allgemeine ersetzt wurde und das Individuum mündig machte. Das Individuum hat sich emanzipiert, seine triebhafte Komponente akzeptiert: Ästhetisches Empfinden ist prinzipiell ein Lustempfinden, hervorgerufen durch Eigenschaften von Stimuli aller Art, empfindbar von jedem Menschen. Die Wertungen von Alltagskultur und Hochkultur haben sich im allge-meinen Bewußtsein verkehrt. Körperlicher Genuss, Distinktion von bürgerlichen Normen und eine daraus abgeleitete Lebensphilosophie beschreiben (BOURDIEU 1984) und SCHULZE (2000) auf auf der Basis empirischer Studien als Charakteristi-ka einer Alltagskultur, die sich von einer sublimierenden Hochkultur abgrenzt; in der Pop-Kultur wurde diese Abgrenzung über das Medium der Musik vollzogen. Mit ihrer auf die Allgemeinheit gerichteten Haltung ist »popular culture [. . . ] the voice of democracy« (BROWNE 1984, S. 1), damit gehe ein Informalisierungsschub einher. Die konnotative Qualität von sounds ist vor den signs des Pop dabei die bedeutendste Wirkungsgröße. Die experimentelle Ästhetik stand an der Wiege dieses ideologischen Wandels. Als Ästhetik von unten befasst sich die vor dem wissenschaftstheoretischen Hintergrund der nunmehr entstehenden Naturwissenschaft argumentierende Disziplin mit dem Allgemeinen und nicht dem Besonderen und wendet sich explizit gegen eine nor-mative Ästhetik mit all ihren ideologischen Implikationen. Denn »mit der Fiktion einer ›objektiven‹ Schönheit wurde stets auch ein Stück ›objektiver‹ gesellschaftli-cher Ordnung verteidigt« (ALLESCH 1988, S. 13). »Empirische Forschung und das entschiedene Eintreten gegen spekulative und dogmatische Welterklärungen [sind] Bestandteil von geistiger Aufklärung« (ebenda). Die Loslösung von der Sicht, dass Schönheit den Objekten anhafte, bringt das Subjekt der Wahrnehmung, später der Erfahrung (vgl. DEWEY 1988), in den Fokus der Betrachtung. »Ästhetische Erfahrung ist immer mehr als ästhetisch« [unterschiedliche Materialien werden dann] »ästhetisch, sobald sie in eine geordnete rhythmische Bewegung auf Vollendung hin eintreten« (DEWEY 1988, S. 377–378). Anstelle wertender Normen ist die Untersuchung ästhetischen Verhaltens das Ziel. Dass dieses kein besonderes Verhalten, sondern ein allgemeines sei, das durch den hedonischen Erlebniswert von Stimuluseigenschaften bestimmt wird, ordnet diese wissenschaftliche Betrachtungsweise in die in ihrer Methodik formulierte, dem Allgemeinen verpflichtete Geisteshaltung der Naturwissenschaften und die damit verknüpften politischen Implikationen ein, wie sie beide im Wiener Kreis gedacht