24 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen der uns motiviert, uns solchen Reizen zu zu wenden, die uns optimale Erregung versprechen. Ist die philosophische »Ästhetik von oben« am besonderen Objekt interessiert, so ist die »Ästhetik von unten« am allgemeinen Subjekt interessiert – sie sieht Ästhetik als eine Form der Wahrnehmung. Diese unterschiedlichen ideologischen Haltungen hinsichtlich der Inhalte treten in den zu ihrer Erklärung angewandten Methoden explizit zu tage: die subjektive Ästhetik mit ihrer auf Allgemeinheit orientierten experimentellen Methodik, die die beobachtbaren Gesetzmäßigkeiten ästhetischen Erlebens erklärend in allgemeine Theorien der Aktivierung/Wahrnehmung einklei-det, ist auf ein nicht-hierarchisches Weltbild gerichtet. Selbst das Besondere der Einzigartigkeit des Werkes wird als Reiz betrachtet, der in kognitiven Ansätzen (nicht unmittelbar Auslöser einer Reaktion ist, sondern) bloß Grundlage der sub-jektiven Interpretation des Wahrgenommenen, die schließlich erst zum Erleben des Besonderen führe. Damit wird auch die individuelle Variabilität ästhetischen Erlebens allgemein erklärbar. Auf der Seite der Objekte werden jene Merkmale isoliert, die Aufmerksamkeit erregen, also zum Wahrnehmen bzw. zum Zuwenden motivieren; im Wechselspiel zwischen Stimuluseigenschaften und deren Bedeutung aufgrund von Vorerfahrung (auch aus kulturellem Kontext) wird der motivationale Charakter der Zuwendung interpretiert. Die experimentelle Untersuchung zwingt dabei zur Isolation einzelner Bedingungsgrößen und damit zur gezielten Synthe-se künstlicher Reizvorlagen. Inhalte werden als Störvariablen eliminiert, formale Aspekte rücken dabei in den Vordergrund – eine Wissenschaftshaltung, die mit jener Tendenz in den Künsten parallel geht, die Wahrnehmung zum Fokus des Interesses macht: Wahrnehmung als Medium der Wirklichkeitskonstruktion wie der Wirklich-keitsrekonstruktion. Diese Tendenz kulminiert einerseits in der wissenschaftlichen Methode Computersimulation, die versucht Wirklichkeit zu konstruieren, um so ihre erklärende Rekonstruktion zu ermöglichen, andererseits in den Medienkünsten, die die Konstruktion von Wirklichkeit durch die Instrumentarien als Versuch ihrer Rekonstruktion thematisieren. Die technische Extension des Körpers spielt in beiden Versuchen eine zentrale Rolle. Wahrnehmung ist Fokus der Methode wie des Inhalts in dem sich eine Ästhetik von oben unterscheidet von einer Ästhetik von unten. Gerade die Kritik an der experimentellen Ästhetik, sie sei Hilfswissenschaft einer philosophischen Ästhetik und füge ihre Arbeit nicht in die psychologische Trias von Denken, Fühlen und Wollen ein, ist angesichts der Fokussierung der kognitiven For-schung auf Prozesse des Denkens nicht schlagkräftig; in der neuen experimentellen Ästhetik ergänzen kognitive Prozesse im Komplex der Wahrnehmung wie auch mo-tivationale Bedingungen im Umfeld von Neugier die klassische psychophysikalische Sicht der Aktivierung durch Reizintensitäten und leisten damit eine Einordnung in sich überlagernde Theoriengebäude der allgemeinen Psychologie. Die Integration der Ästhetik von unten als explizit psychologische Sicht und ihre Orientierung an der experimentellen Psychologie zeigt der historische Abriss: Einerseits bindet sich die Ästhetik in das Theoriengebäude der Psychologie ein, andererseits leistet die ästhetische Forschung einen Beitrag zur Psychologie (Wahrnehmung, Motivation, Neugier), die experimentelle Ästhetik ist Teil der experimentellen Psychologie. Im Umfeld der am Phänomen der Wahrnehmung interessierten Psychophysik entstand die Ästhetik als das älteste der empirisch-psychologischen Forschungsgebiete. Die