26 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen in der ästhetische Phänomene keine Sonderstellung einnehmen. In Abgrenzung von den Elementaristen sehen die Gestalttheoretiker in der Melodie jedoch mehr als die Summe ihrer Töne. Mechanismen der Wahrnehmung strukturieren Gegenstände der Wahrnehmung nach Gesetzen der guten, prägnanten Gestalt. Kategorien der Ordnung und der Symmetrie spielen bei diesen nativistisch gegebenen Mechanismen eine bedeutende Rolle. Vorrangig liefert die Gestalttheorie Deskriptionen von guten Gestalten. Ästhetisches Erleben selbst ist in der Vorhersage nur indirekt erschließbar. Balance und Symmetrie sind Koffka zufolge von der Wahrnehmungsstrukturierung bevorzugte Gestaltungen (KOFFKA 1940). Für die (abendländische) Musik ist der Ursatz eine Art prägnante musikalische Gestalt. Die harmonikale Progression I-V- I ist durch Spannungs-Lösungs-Prozesse motiviert (SCHENKER 1935). Für die Informationsästhetik ist das ästhetische Empfinden (M) durch das Verhältnis von Ordnung (O) und Komplexität (C) gegeben: Ordnung (O) durch Beziehungen wie Symmetrie, Wiederholung und Komplexität (C), durch Objekteigenschaften, die Aufmerksamkeit und Spannung hervorrufen. Der ästhetische Wert M ist durch O/C gegeben. Regelmäßige, symmetrische Gestalten hätten danach den größten ästheti-schen Wert. Die Informationsästhetik ist letztlich der Versuch, gestalttheoretische Annahmen zu formalisieren. BIRKHOFFs Vorstellung entspricht der Harmonie des Einfachen (BIRKHOFF 1933). EYSENCKs Replikation der Birkhoff’schen Experimen-te modifiziert dessen Erkenntnisse. Die Ausgewogenheit der reizbezogenen Gesetze law of retentivity und law of fatigue bestimme die ästhetische Empfindung. Alle äs-thetisch erlebten Formen brauchen Wiederholung und zugleich Vielfalt. Das Produkt von Ordnung und Komplexität bestimmt den ästhetischen Wert (EYSENCK 1942). Diese ordnungsbildende Strukturierung ist gestützt durch die theoretische Annahme, dass Menschen nur bedingt Information aufnehmen können. Auf das Homöosta-seprinzip, die Vermeidung sehr einfacher bzw. konfliktinduzierender Reize, stützt sich theoretisch dann auch die Beobachtung eines umgekehrt U-förmigen Bezugs zwischen Komplexität und der Erfreulichkeit von Reizen in der psychobiologischen, neuen experimentellen Ästhetik BERLYNEs (1970, 1971, 1974). Der Operationalisierung der Reizeigenschaften diente die Informationstheorie nach SHANNON und WEAVER (1949). Die französische (MOLES 1958) und deutsche Informationsästhetik (ALSLEBEN 1962) versuchte in Anlehnung an gestalttheore-tisches Gedankengut Gestalten zu formalisieren. Komplexität ist als Information definiert, Ordnung als Redundanz. Die theoretische Einbindung der Ästhetik in die Psychologie geschieht über die motivationale Wirkung der konflikt- und damit aktivitätsinduzierenden Qualitäten der Reize. BERLYNE (1970) nennt Neuheit, strukturelle Information, Unsicherheit, Unerwartetheit etc. als collative variables, als aktivierende Elemente. Die Hinwendung zu Letzteren ist in der hedonischen Wirkung ihrer Aktivierung motiviert. Hier gliedert sich die experimentelle Ästhetik in die Neugierforschung ein und erweitert deren Theorien. In Termini der Kybernetik und computer sciences ausgedrückt, werden selbst Bewusstseinsprozesse als durch Interfaces mit der Außenwelt ermöglichte Erleb-nisse angesehen, die durch Vergleichsprozesse mit in einem memory gelagerten Informationen zustande kommen. Obwohl vor den cognitive sciences formuliert, ist die experimentelle Ästhetik mit diesen kompatibel: Ästhetisches Erleben basiert aber nicht auf automatisch ablaufenden Prozessen, sondern ist durch Lernvorgänge