28 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen Entsprechend der »Ästhetik von unten« wurden Forschungen zur experimentellen Ästhetik vorrangig mit artifiziellen Materialien gemacht, deren Reizqualitäten gezielt zur experimentellen Prüfung variiert werden konnten. Dieser synthetische Ansatz BERLYNEs (1970) ist eine Fortführung von FECHNERs (1859) elementaristischer Methode. Analytische Ansätze versuchen mit multivariaten Methoden, Bedingun-gen der emotionalen Reaktion meist auf der Seite des Rezipienten zu explorieren; motivationale und Aspekte der Persönlichkeit werden dabei vorrangig untersucht. Auf der Seite der Stimuli sind gezielte Aussagen über Bedingungsgrößen ob der Ver-wobenheit der Elemente in künstlerischen Arbeiten schwer möglich. Die methodisch geforderte gezielte Isolation einzelner Bedingungen widerspricht bereits der Physik der Dinge, vor allem dem kompositorischen Denken, das oftmals die ikonische Arbeit mit diesen physikalischen Bedingungen ist. Das Crescendo ist beispielsweise die gezielte Setzung der Bezüge der physikalischen Dynamiksteigerung: Mit Tempo steigt die Lautstärke, der Obertonanteil und die Perkussivität der Klänge und damit die Wahrnehmungsqualität sharpness. Mit diesem theoretischen und methodischen Zugang löst sich die experimentelle Ästhetik von der Vorstellung des Besonderen eines Werkes. Ästhetische Phänomene sind durch den Bezug syntaktischer Elemente von Gegenständen und Ereignissen und deren aktivierender Wirkung im wahrnehmenden Subjekt gekennzeichnet. Ästhetik ist eine hedonisch geregelte Wahrnehmungsweise und eine durch das Angenehmheits-empfinden motiviertes Verhalten allgemeiner Art; eine auf die Erklärung allgemeiner Aussagen gerichtete Methodik entspricht dieser Haltung – der wissenschaftlichen wie der ideologischen. 1.2.2 Wahrnehmung in Wissenschaft und Kunst als Medien der Wirklichkeits-re-konstruktion Die Kunst hat sich spätestens mit dem Bewusstwerden der Methoden, die sich später als naturwissenschaftliche etablierten, in der Vorschule der Ästhetik (FECHNER 1876) von ihrer romantischen Haltung, eine Alternativwelt zu skizzieren, abgewandt und dem zugewandt, was ist. Das Verständnis von Ästhetik ist das von sinnlicher Wahrnehmung. Wissenschaft und Kunst berühren sich hier als Erkenntnismedien. Für BAUMGARTEN (1735) hatte »Ästhetik keineswegs die Kunst zum Gegenstand. Sie sollte insbesondere der Verbesserung des unteren, des sinnlichen Erkenntnis-vermögens dienen« (WELSCH 1996, S. 65). Ästhetik wird in ihrer »aisthetischen Bedeutung« (ebenda, S. 65) gebraucht als sinnliches Erkenntnisvermögen. Die empirische Wissenschaft sucht Erkenntnis durch Beobachtung. Methode diese zu finden, sie zu verifizieren bzw. in kritischer Weise ihren Wahr-heitsgehalt in der Falsifikation (POPPER 1934) zu sehen, ist die Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen des Experiments. Beobachtung ist an die Wahrnehmung gekoppelt, die Kommunikation des Wahrgenommenen an die (begriffliche) Darstel-lung. Der Wiener Kreis fokussiert die sensorischen und kognitiven Implikationen der menschlichen Beobachtung, die mit der Wahrnehmung und der begrifflichen (sprachlich vermittelten) Darstellung ihrer Inhalte einhergehen. Jede wissenschaftli-che Aussage ist dann – jene Implikationen ausschaltend – in einer streng formalen abstrakten Sprache möglich.