1.3 Kommunikation 33 Parallel dazu entwickelte sich die Kunsthaltung vom Werk zum Immateriellen. Die Kunst des 20. Jahrhunderts ist durch den Prozess der Dematerialisation (vgl. WELSCH 1993) gekennzeichnet. Die Musik als Erscheinung nach der Gesetzmäßigkeit des Auditiven war stets ein abstraktes und bloß in Ausnahmefällen konkretes Gebilde. Sie ist damit Vorreiterin und Modell Neuer Künste, weil sie in ihrer Schriftlichkeit über den willkürlichen Code als immaterielles Werk existiert; sie ist darin Vorreiterin der Immaterialität des Digitalen. Die Bildende Kunst hat sich vom bildhaft darstellenden Vermitteln und damit von der Formalisierung des ikonischen Vermittelns (des Dargestellten) erstmals mit der Digitalisierung gelöst und ihre Inhalte auf die Ebene der Codes mediatisiert. Die Musik hat früher mit der Entwicklung eines Codes zur Speicherung und Kom-munikation ihres flüchtigen Ereignisses die Ebene der Zeichenhaftigkeit berührt und mit dem am willkürlichen Code (der wiederum nur bedeutungsneutrale Klänge kodiert) basierenden Werk Immaterielles geschaffen. Musik existiert auf beiden medialen Ebenen, der klanglich-sinnlichen-körperlich fassbaren, der Wahrnehmung zugänglichen, wie auch jener der Zeichen und deren begrifflichem Verstehen zu-gänglichen – ihre Erscheinungsformen und ihre Theorie vermitteln zwischen beiden Extremen: Betrachtet man Mediatisierung als Entfernung kommunikativer Vor-gänge von der Körperlichkeit, so ist Musizieren unmittelbar körperlich und (in Schriftform geschaffene) Musik ein hochmediatisiertes System von Codes, die in ihrer Potentialität als immateriell gelten. Ihre Erstellung und Zuweisung zu Inhalten ist eine willkürliche und diese ist von Erfahrungen aus Wahrnehmungen geprägt (vgl. HOLZKAMP 2000; LEVY 2000); Wahrnehmung ist jene Schnittstelle, deren Folgen als bleibender Subjekt-Objekt-Bezug Immaterialität begrenzt. Die hohe Theoriegebundenheit der Musik wies sie immer als eine klingende Aus-formung rationaler Betrachtungen aus, die ihrerseits auf Gesetzen der sensorischen Wahrnehmung, der Erfahrung allgemein, wie der sozialen gegenseitigen Wahrneh-mung, der Kommunikation, basieren und diese gleichsam repräsentieren – Musik indiziert spezifische Wahrnehmung (vgl. SLOBODA 1985; McADAMS 1987) und Kommunikation (vgl. ADORNO 1958). 1.3 Kommunikation 1.3.1 Kommunikation als Methode der Erkenntnis: kollektive Generierung Kommunikation im Zusammenhang mit Wissenschaft und Kunst meint nicht bloß die rauschfreie und wertfreie Übertragung von Information. Sie impliziert die Nach-prüfbarkeit der Information, ihre Diskussion und damit auch ihre Relativierung. Wissenschaftliche Kommunikation ist eine Methode zur Erkenntnisgewinnung. Der künstlerische Diskurs übernimmt zunehmend diese Funktionen und Kriterien der wis-senschaftlichen Kommunikation. Wie der Wissenschafter kommuniziert der Künstler seine Arbeit als Teil ihrer selbst, Kommunikation ist Teil des Erkenntnisprozesses, im Prozess Kunst. Der Künstler ist nicht Eigentümer, sondern Autor der Erkenntnis im Prozess, die im Kollektiv – wie in der community of science – von ihm initiiert weiter wächst. Kollektive prozessuale Kunst ist die notwendige Konsequenz. Solche