36 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen legitimierte Macht in einer Welt der natürlich geordneten Dinge definierte. Soziale Machbarkeit leitet das Verständnis partizipativer interaktiver Kunst. Deswegen pachten politische Gesinnungen, die sich als innovative, als nach Er-neuerung von sozialen Systemen strebende deklarieren, auch die Vertretung eines demokratisch kollektiven Kunstverhaltens abseits der restaurativen, auf die Schöp-fung durch einzelne Wissende gerichteten – somit elitären – Werkproduktion, die indirekt eben solche Rezeptionsmechanismen durch Wissende impliziert (JAUK 1986). Dass diese ideologischen Parallelen aber an der Praktikabilität, an der in-adäquaten Rezeption und letztendlich an der einseitig motivierten intellektuellen Gleichmachertendenz (auf den nicht ideologisch gebildeten Rezipienten wirkt dieses Tun meist ebenso elitär, weil seine Zielvorstellungen andere sind und Kunst ihm meist kein eigenes Bedürfnis ist) scheitern mussten, ist politische Realität. Heute tritt diese Kunsthaltung nicht mehr mit dem erzieherischen, gleichsam aufklärerischen Anspruch der sechziger Jahre auf und erkennt ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Veränderung zu einem kollektiv geregelten System als eine lustvolle künstlerische Reflexion einer möglichen Situation im experimentellen Erproben interaktiver Be-stimmungsprozesse in der Kunstproduktion des Alltags einer Erlebnisgesellschaft (SCHULZE 2000). Interaktive Kunst ist ein icon-haftes Analogon, ein bewusstseinsbil-dendes Experimentierfeld zum Prozess der Schaffung von selbstgeregelter Sozietät, von der Basis einer demokratisch bestimmten Gesellschaft her. Das derzeitige Unvermögen, Partizipation und kollektives Gestalten zu leben (vgl. Robert Adrian X 1989), darf nicht mit dem Nicht-Wollen gleichgesetzt werden; Bewusstsein basiert auf Lernen, Lernen auf dem Verfügbaren, Zugänglichen. Zugang wird durch Macht geregelt; sie verhindert den Zugang zu Strukturen, der ihre Macht aufweichen könnten. Digitale Popularkultur benutzt den stabilisierenden Mechanis-mus der Macht zu ihrem Sturz: Die Zugängigkeit und Verfügbarkeit, die die Macht zu ihrer Erhaltung in der technoiden Wirtschaft bereitstellt. Technische Medien der Kommunikation, aus politischen Gründen in den europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts zum Einwegmedium degradiert, erfahren ihre Horizontalisierung gerade dadurch, weil wirtschaftliche und damit politische Strukturen an Massen, genauer, den einzelnen Nischen der Masse interessiert sind. Diese kontrollierte Horizontalisierung versucht die Pop-Avantgarde der Kontrolle zu entziehen. Die Erzeugung eines Information-Overkill durch »sinnlose« Information im world-wide-web ist in den Augen der Hacker solch ein Versuch. Dies ist Gebrauch gegen die verordnete Gebrauchsanweisung von Kulturmechanismen. Verstärktes Auftreten eines Virus stärkt aber auch die Ausbildung des Antivirus – Destruktion wirkt damit auch stabilisierend. Teilhabe reicht von der kämpferischen Alternative des enteignenden Hackertums zum institutionalisierten, selbstverständlichen kollektiven Gebrauch von Verfügba-rem und gipfelt derzeit in den kollektiven works in progress, die aus unendlichem Informationsaustausch über das Net, seine informell kommunikativen wie wirt-schaftlich strukturierten Formen, »Kunst« im öffentlichen Raum, mit öffentlichem Interesse initiieren. Diese informellen Kommunikationsformen sind dem Ideal der wissenschaftlichen Kommunikation als Erkenntnismethode nahe.