42 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen drifteten und nun wieder zusammenfinden. Diese Entwicklung wird für die Zukunft von entscheidender Bedeutung sein. Dies gilt sowohl für eine Kunst des ausgehenden 20. Jahrhunderts, die ihrer Zeit gerecht werden will, als auch für eine wettbewerbs-fähige europäische Technik, die aus dem kreativen Umgang von Künstlern mit modernen Technologien lernen kann und will« (HENKEL 1988). Diese Sicht des Geschäftsführers von IBM Deutschland reduziert den komplexen Zusammenhang von Kunst und Technologie auf das Stereotyp einer Befruchtung der Industrie durch die Kreativität der Kunst. Zudem dient Kunst im Zeitalter alternativ/grünen Bewusstseins in Europa oftmals dafür, schmutzende und Tod bringende Technologie weiß zu waschen. Abseits dieser Anwenderhaltung interessiert aber vor allem der Einzug naturwis-senschaftlichen Denkens und die Verwendung seiner unmittelbaren Hervorbringun-gen in Form technologischer Erneuerungen als Extensionen des Körpers und damit die aus der neuen Interaktion mit der Umwelt gemachten Erfahrungen und daraus resultierenden Denkweisen. Es ist aber auch die Erweiterung der Kulturtechnik in Form von Wissen über Wahrnehmung als Methode und Inhalt von Wissenschaft und Kunst sowie der parallel ablaufende Transfer allgemeiner Erfahrungen über die Na-tur der Erscheinungen auf die Ästhetik6 von Interesse; schließlich der wechselseitige Einfluss von allgemeinen (gesellschaftspolitischen) Haltungen, die mit Technologie einher gehen, und den Kunsttheorien. Schaffen Wissenschaft und Kunst Modelle und Bilder der Wirklichkeit zu ihrer Bewältigung, so erweitern die Erkenntnismedien im Zusammenspiel mit der Technik »faktisch und theoretisch den Bereich des Möglichen und geben die Mittel in die Hand, Simulationen zu erzeugen. Immer jedoch handelt es sich um einen Angriff auf das Wirkliche, das nicht nur besser erfaßt, erklärt, dargestellt [. . . ], sondern außer Kraft gesetzt werden kann« (RÖTZER 1991, S. 41). Die zweite Natur hat in diesem Jahrhundert vor allem die Natur der räumlich-zeitlichen Strukturen außer Kraft gesetzt und unser Bewusstsein und Denken von der Notwendigkeit dieser Erfahrung gelöst. Die Nutzung von Errungenschaften der (technischen) Entwicklung in der Kunst findet einen frühen Höhepunkt in der die modernen Naturwissenschaften (neu-) entdeckenden Renaissance und in dem die Naturwissenschaften mit den Mitteln der Mathematik formalisierenden Barock. Die künstlerische Reflexion naturwissen-schaftlichen Denkens und seines Outputs verstärkt sich mit dem Bewusstwerden individueller und sozialer Implikationen von Technologie im industriellen Zeitalter. Mit den die Umwelt virtualisierenden technischen Errungenschaften, den digita-len willkürliche Gestaltung implizierenden Neuen Technologien, ist eine Irritation der Körper-Umwelt-Interaktion verbunden und damit eine geänderte Erfahr- und Denkweise; eine Denkweise, die bislang allgemein als eine mechanistische auf der Zuschreibung kausalen Verhaltens der Dinge und ihrer Generalisierung auf nicht-mechanische Prozesse (z. B. narrative und finale historische) zu beschreiben ist (vgl. LEVY 2000, S. 825). Mit dieser Irritation mechanistischer Denkweisen kulminiert die Diskussion der Technologien einerseits und des Körpers andererseits in der Me- 6 Es ist auch die umgekehrte Richtung des Informationsflusses nicht auszuschließen. Leonard SHLAIN berichtet in Art & Physics (1991) über die Kunst als Kraft hinter der Naturwissen-schaft und Technik.