1.4 Wissenschaft und Kunst 43 dialisierung der Erfahrbarkeit und damit den Möglichkeiten zur Re-/Konstruktion von Wirklichkeit. Werden in den Bildenden Künsten Gesetze der Optik zur Illusion räumlicher Bil-der (vom subjektiven Standpunkt aus betrachtet und damit den Betrachter erstmals mit einbeziehend) in der Perspektive Giottos und Albertis genutzt, gleichsam zur Nachbildung (der Sicht) der Natur, geschehen später gleichzeitig wissenschaftliche und künstlerische Experimente mit anderen Manifestationen von Raum (bei Manet) und Zeit (bei Monet), so wird in der Musik der unterschiedliche Klangraum durch das Bauen verschiedener Säle mit unterschiedlichem akustischen Verhalten realisiert, das nach den Gesetzen der Brechung und Absorption von Wellen funktioniert. »Stil«, Ensemble und Musik gingen mit den akustischen Eigenschaften der Räume in der Geschichte der musikalischen Entwicklung eine Einheit ein. Dies führte zu Räumen unterschiedlicher, aber spezifischer Akustik zu bestimmten Zeiten, als Klangraum spezifischer musikalischer Konstruktionen. Der Parameter Raum wird als musikalischer erachtet, er stellt keine Größe der Aufführung dar, er geht in die Musik ein. Der Raumklang lässt polyphone Strukturen zum »stehenden« Klang einer statischen Emotion erregenden Barock-Musik werden, Nutzung unterschied-licher Raumpositionen führt zu dialogischen musikalischen Prozessen, gerichtete Schallabstrahlung im elektroakustischen/akusmatischen Konzert verschmilzt den musikalischen Raum mit dem akustischen Raum und simuliert schließlich Bewegung. Musik ist allgemein Klanggestaltung. Diese ist die Instrumentarisierung der (emo-tionalen Ausdrucksqualität) der Stimme (vgl. KNEPLER 1977) bzw. des entspre-chenden körperlichen Verhaltens (vgl. BLACKING 1977), technische Transformation körperlicher Zuständlichkeit – handwerklich-technische Entwicklungen gelten als Bedingung ästhetischer Änderungen (WEBER 1921). Musik steht hinsichtlich ihrer Theorie, Generierung, Realisierung und Distribution in enger Beziehung zur Technik. In der griechischen Antike war Musik der techne eingegliedert, die Mathematik als Medium zur Formalisierung ihrer Natürlichkeit gebraucht, WEBER (1921) hat die Entwicklung der Musik in Verbindung mit dem Fortschritt der Technik (basiert auf Mathematik) gesehen, allgemein aus zweckra-tionalem Handeln motiviert. Dieser theoretische Ansatz wird auf den Einfluss der neuen Technologien auf die Wechselbeziehung von Musik und Medien/Technologie fortgeführt – Mediamorphose (vgl. BLAUKOPF 1989; SMUDITS 1988b, 2002a,b) bezeichnet dieses Gefüge. Die Erzeugung von Klang-Gestalten durch Überlagerungen ist an die temperierte Stimmung gebunden; mit der Entwicklung des Klaviers ist diese vom Tonhöhen-bereich unabhängige Stimmung auch »sichtbar« geworden – das Klavier wurde zum primären Kompositionsinstrument. Das Sichtbar-Machen hat zur Etablierung musikalischen, kompositorischen Denkens, abgekoppelt vom Klang (aus dem dieser Intention folgend künstlich das Abstraktum Tonhöhe als primäre Qualität extrahiert wurde) geführt, zum hoch mediatisierten Denk-Spiel mit Codes in der absoluten Musik. Die Entwicklung der Instrumente erlaubte bessere Spielbarkeit und damit nu-ancierte Klanggestaltung – das spätromantische Virtuosentum schleift dann diese technischen Errungenschaften zum einzigartigen Meisterinstrument. Elektrische, technische Apparaturen machen dann schließlich auch den Klang abseits von »Regis-