44 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen tern« gestaltbar. Interfaces, die direkt durch den Körper und sein Ausdrucksverhalten Klang generieren und modulieren, sind technische Entwicklungen, die den Prozess der Mediatisierung zurück zur unmittelbaren Körperlichkeit führen. Das kompositorische Denken ist dominant mit einer (von der Kenntnis der Be-deutung kodierter Elemente und) von Regeln gelenkten handwerklichen Fertigkeit verknüpft – das freie Musizieren nach mündlicher Tradierung vor der schriftlichen Fixierung findet in der schöpferischen Intuition eine romantische Nische, es wird ohne Romantizismen mit Mitteln der Technologie im späten 20. Jahrhundert für je-dermann möglich (vgl. KLUG 2001). Allgemein folgt das Regelwerk kompositorischer Arbeit einer formalisierten Sprache, ähnlich der Mathematik. In der musikalischen Schrift ist die Formalisierung des musikalischen beziehenden Denkens vollzogen, sie ist mit der Ausbildung des Werks verbunden (vgl. KADEN 1985). Das Denken der griechischen Antike und ihrer Renaissance, die Mathematisierung der Musik im Barock, die Infizierung ästhetischen Denkens durch naturwissenschaftliche Begrün-dung in der Vorschule der Ästhetik (FECHNER 1876) wie die rationale Betrachtung »beziehenden Denkens« (RIEMANN 1914/15) zur Gestaltung tönend bewegter For-men und der Dogmatisierung des Primats der Struktur in der absoluten Musik sind Gegenbewegungen zum subjektiven, emotionalen Handeln in der Musik und ihrer Ästhetik, wie sie im späten 19. Jahrhundert kulminierten. Die mathematische Reihung der seriellen Musik stellt Strukturarbeit in den Dienst von Klangfarben-generierung (vgl. BOULEZ 1975), die willkürliche Gestaltung in der elektronischen und der Computer-Musik ist die willkürliche Gestaltung des Klanges selbst. Hier verschmelzen Mathematik, Naturwissenschaft mit Wahrnehmungsforschung und Technik in der digital Music – Hedonismus wird dabei als Basis der Gestaltung nach dem Willen betrachtet, das Besondere der schöpferischen Intuition durch die allgemein von Menschen als lustvoll empfundene Erregungsoptimierung ersetzt. Explizit zu Inhalten von Kunst wird Technologie und die Reflexion ihrer ge-sellschaftspolitischen Implikationen erst im 20. Jahrhundert, als die italienischen Futuristen den Bruch mit der Tradition vollziehen. Erst allmählich geht Verherrli-chung über in subtile kritische Betrachtung. Verspätete Innovationsgläubigkeit (die allgemeine Haltung der letzten Bastion der Moderne in den sechziger Jahren) führt im Verein mit der erstmals – zwar in Vereinfachung, aber dennoch ob seiner Erstma-ligkeit verblüffenden Art – möglichen Simulation von (Um-)Welt in den achtziger Jahren zu einer naiv technoiden Haltung innerhalb der Kunst. Der Data-Glove, einer monströsen science-fiction Romantik entsprungen, markiert jenes Wägelchen, das der auf äußere Tatsachen, auf das visuell Erfassbare der Dingwelt, angewiesene Kunstschaffende und Kunstkonsumierende als handfestes Interface zwischen ihnen und einer anderen, künstlichen Welt benötigt; es ist ein Wägelchen, mit dem er sich auf die Fahrt in die fassbare Virtualität begibt – ein Widerspruch in sich, zugleich die menschliche Reduktion auf ein mechanistisches Bewußtsein aus Körperlichkeit und ihrem Verhalten (vgl. LEVY 2000). Subtilere invisible Interfaces sind dagegen Ausdruck eines auf Prozesse der Wahrnehmung gerichteten Kunstverständnisses abseits des technoiden Ingenieurgeists der Mechanik. Reaktive Interfaces sind mit den mechanischen Implikationen des Körpers verknüpft, interaktive Interfaces mit dynamischen Prozessen non-mechanistischer Art wie kommunikative sie darstellen (vgl. JAUK 1995a).