1.4 Wissenschaft und Kunst 45 In der High-Tech Art unserer Tage greifen Wissenschaft, Kunst und Technik wieder ineinander. Innovationen sind nicht so sehr aus weiterer technischer Fort-entwicklung zu erwarten, sondern durch »die Gestaltung des neuen Verhältnisses zwischen den Menschen und dem kreativen Prozeß, zwischen den Menschen und seinen Artefakten« (POPPER 1991, S. 256). Nicht die Idee, wohl zumindest aber die Möglichkeiten zur Partizipation an Interaktion und Interaktion als solche mit künstlerischen Einrichtungen haben die Technologien mit entwickelt. Die Wertung, dass sie damit ein »weites Feld einer veränderten ästhetischen Praxis eröffnet« (ebenda) haben, reiht entweder die durchführende Technik vor die künstlerische Innovation, oder ist Ausdruck des nicht Erkennens, dass im Wesen von Techno-logien nicht zwingend die Partizipation oder Interaktivität angelegt ist, sondern dass aus spezifischen künstlerischen und ideologischen Intentionen Technologien entwickelt wurden, um Interaktivität bzw. einen höheren Grad von Beteiligung zu erreichen. Die Idee zur gemeinsamen interaktiven Gestaltung mit dem Betrachter war bereits in plastischen Environments, die zur Verwirklichung ihrer Funktion das Eingreifen des Betrachters benötigten, in den fünfziger Jahren programmatisch bestimmt. Agam (Reliefs), Soto (Spiegelungen), Tinguely (Spiel mit der Mechanik im mechanischen Konzert – ein Anklang an das Happening) und Buro (Farbkomposi-tionen, die vom Betrachter nach subjektivem Gefallen zu variieren sind) erkundeten dieses Prinzip mit mechanischen Mitteln. Interaktivität war in den »Konzerten« der Happenings als bestimmende Theorie angelegt, interaktives Schaffen von mehreren Künstlern als demokratischer Prozess bereits in der Improvisation des Free-Jazz verwirklicht; diese künstlerischen Äußerungen können somit als modellhaft sowohl für die Partizipation von »Zuschauern« oder »Künstlern«, als auch deren inter-personaler Interaktion wie der Interaktion mit technischen Systemen angesehen werden; beides zur (informellen) künstlerischen, sozialen und politischen Gestal-tung. Wie im politischen Leben dürfte auch im künstlerischen Experimentierfeld die Theorie der Demokratie trotz der Verfügbarkeit von Methoden horizontaler Strukturierung ihrer Generierung voraus ein. Mängel in der Ausbildung individuel-ler emotionaler Bildung – emotionale Selbständigkeit ist Bedingung partizipativen Verhaltens und nicht erst über die künstlerische Konfrontation kurzfristig erlern-bar – dürften es sein, die interaktives Verhalten zumindest vorerst zum Scheitern verurteilen. Frontalbelehrung und leistungsbezogenes Ich-Bewusstsein stehen dem Gemeinsamen und dem Wir entgegen, Passivität und machtvoller Anspruch auf Urheberschaft sind die Folge. »Die [. . . ] erhoffte Revolution in der interpersonellen Kommunikation – nicht zuletzt auch zwischen Künstlern – ist nicht eingetreten. Die hohen Kosten der Hardware und die Kommunikationsgebühren sind nur ein Teil des Problems – viel entscheidender sind die Trägheit und das Beharrungsvermö-gen von 200 Jahren industrieller Kultur und ihres konsumeristischen Nachspiels. Niemand in unserer Kultur, Künstler eingeschlossen, wird darin ausgebildet oder dazu ermutigt, andere an seiner/ihrer Kreativität teilhaben zu lassen [. . . ]. Die Fähigkeit zu geteilter schöpferischer Tätigkeit aber ist notwendige Voraussetzung zum interaktiven Gebrauch von Kommunikationstechnologie. Wir alle sind an die Produzent/Konsument-Beziehung der Herstellung von Dingen zum Konsum durch andere gewöhnt« (Robert Adrian X 1989, S. 147).