1.4 Wissenschaft und Kunst 47 des 20. Jahrhunderts ist Alternativ-Kultur, das Streben nach sozialer und mit ihr ästhetischer Erneuerung, durch die innermusikalisch motivierte, emotionale Ver-führung zur Revolution, nicht durch Evolution – Pop ist verführender Sound der Dissidenz, Pop benutzt dabei (hackerartig) jene wirtschaftlichen Machtmonopole mit politischer Strahlkraft, denen ADORNO die Affirmation durch Verführung durch Pop zusprach. Den Fortschritt durch Revolution forderten die italienischen Futuristen im ästheti-schen wie im gesellschaftspolitischen Bereich. Ihr Programm für das 20. Jahrhunderts richtete sich auf das Hier und Jetzt eines urbanen Alltags, somit die Aufnahme von Technologie in die künstlerische Arbeit sowie Kunst als unmittelbar produk-tiv gestaltenden Teil der Gesellschaft. Diese abseits evolutiver Prozesse liegende Haltung, die Erneuerung nur im radikalen Bruch mit dem Althergebrachten sieht, ist einfacherweise als Reaktion auf die vom Bürgertum getragene Romantik des 19. Jahrhunderts interpretierbar. Diese radikale Geisteshaltung, durch technologische Hervorbringungen und ihre Basis, das naturwissenschaftliche Gedankengut geprägt, ist der vom uneingeschränkten Glauben an die (soziale) Machbarkeit – mit ihrem Höhepunkt in den sechziger Jahren (vgl. GADAMER7 1960) mitbestimmt ist. Diese dominante, die ästhetische Orientierung des 20. Jahrhunderts bestimmende Haltung ist damit als eine Folge des allgemein aufkommenden naturwissenschaftlichen Geis-tes zu betrachten, postuliert in den Manifesten futuristischer Kunst – abseits der bloßen Nutzung von Technik wird diese und ihre Verfügbarkeit als konstitutiver Teil einer Alltagsgesellschaft betrachtet: Technik macht Musizieren zur allgemeinen Kulturtechnik (vgl. KLUG 2001). Der italienische Futurismus legt durch diesen abrupten Bruch mit der bürgerlichen Kunstauffassung den Grundstein zur Etablierung einer Kunst des Alltags, die die Errungenschaften des industriellen Alltags, Maschinen und Technologie, vorerst (als massenlenkende Kriegsmaschinerie verherrlichend) mit Kunst integriert. Diese Entwicklung impliziert weitere Innovationen: die Abkehr von der nach tradierten Regelsystemen erfolgenden menschlichen Steuerung und Produktion von Kunst und damit das Einräumen eines gestaltenden Freiraums für die Maschine. Dieses letztgenannte Phänomen wird später in der kinetischen Kunst – ein möglicher Vorreiter der Kunst, die elektronische Apparate nutzt – fruchtbar. Der vor allem solche Maschinen steuernde und nicht in mediengerechten Techniken handwerklich ausgebildete Dilettant wird als Potential für die Schaffung von Neuem erkannt; das wenig fruchtbringende, meist naive Dilettieren von Technikern im künstlerischen Bereich könnte darin seinen Ausgang finden. Der Dadaismus misstraut aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und der Ideologie der Futuristen heraus der auf der Logik der Natur basierenden Bestimmung. Die Nicht-Logik, der Zufall, der Nonsens werden zum Gestaltungsmittel. Ist der Dadaismus die Verneinung naturwissenschaftlichen Denkens und seiner technoiden wie gesellschaftlichen Implikationen, so ist der Surrealismus bereits eine Parallelentwicklung, Zeuge jener Pluralität im Methodischen wie Inhaltlichen, 7 Der Generalisierung der Machbarkeit aus der – vom menschlichen Wunsch nach Überwindung der Endlichkeit getragenen – Einschätzung medizintechnischer Innovationen auf soziale Mach-barkeit setzt GADAMER (1960) kritisch die Entwicklung gesellschaftlicher Zukunft aus der Tradition entgegen.