48 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen die das 20. Jahrhundert zunehmend prägt. In der Suche nach Neuem vertraut er der Logik des Unbewussten, dem, was außerhalb der Ratio liegt, was sich der strengen empirischen Auffassung zu beobachten, entzieht, aber dennoch parallel dazu existieren mag. Schließlich impliziert die Abkehr von der romantischen Haltung, dass Kunst ein Mittel zur Flucht aus dem Alltag ist, die Gründung eines Bewusstseins, dass Kunst eine Ausformung des Lebens ist und mit diesem in einer realen und nicht illusionären Beziehung stehe. Diese Haltung findet in Amerika mit John Cage und in Europa mit Joseph Beuys seine Weiterführung und ist gekennzeichnet durch die von der Pop-Art genährten Definition »Kunst = Leben, Leben = Kunst«. Diese Haltung führt Kunst notgedrungen in den selbst mitgestalteten öffentlichen Raum, Kunst verlässt den Kunstraum und bezieht den Rezipienten als Partizipienten ein durch Interaktion. Das was die Avantgarde vorgedacht hat, hat vor allem die Pop-Kultur und die Verfügbarkeit von Technologie verwirklicht und allgemein gemacht. Die Künstler selbst sind oftmals in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Möglicherweise im tradierten Besonderen des Künstler-Seins verhaftet, war die Haltung der Künstler in den sechziger Jahren doch eine aufklärerisch belehrende, die letztlich vertikal war und nicht die Freiheit der Rezipienten achtete. Auch heute lässt sich Unzufriedenheit dort orten, wo Künstler unter dem Deckmäntelchen horizontaler Strukturen Belehren statt Bewusstseinsbildung betreiben und die Befriedigung ihres Anspruchs mit ihren elitären Methoden sehen, nicht jedoch die Logik der Masse akzeptieren und damit arbeiten, was gerade die Pop-Avantgarde tut – allerdings: auch Pop hat Schwierigkeiten, wenn sein Geistesgut, selbst die Forderung des Underground nach öffentlicher Akzeptanz, populär, gar Mainstream wird (vgl. DIEDERICHSEN 1996). Authentizität, mit Einzigartigkeit assoziiert, geht hier vor die Funktion Medium der Distribution von Haltungen zu sein und diese damit populär, zum Allgemeingut, zu machen. Es wird auch das Verhalten John Lennons in vielen seiner Interviews verständlich, als der episodische Charakter der Erklärung seines »Schaffensprozesses« aus Lust und Laune heraus gerade die Frage danach als eine mit der Erwartung des Besonderen verbunden dekonstruiert. We’re Only In It For The Money (Frank ZAPPA & The Mothers of Invention 1968) erweitert dann die unmittelbar hedonische Lebenshaltung des Pop (Sex, Drugs and Rock’n’Roll) durch die mittelbare, den Zugang zu mehr als den Dingen der Alltagswelt durch Geld. ADORNO besteht auf der »Autorität des Neuen [als] einer historischen Unvermeid-lichkeit. [. . . ] Avantgarden seien ihrem Wesen nach unpopulär [. . . ] antipopulär« (ADORNO 1970, S. 59). SHUSTERMAN hingegen formuliert als eine der Haupthypo-thesen »daß die populäre Kunst ihre Popularität erreichen kann, ohne dadurch in die ästhetische Wertlosigkeit und ins Vulgäre abzugleiten« (SHUSTERMAN 1994, S. 12). Letztlich stehen sich diese beiden theoretischen Ansätze nicht gegenüber, sie ergänzen sich: Pop macht die Avantgarde populär. Pop lebt von der antipodischen Symbiose von Avantgarde und der Distribution. Daraus gewinnt die authentische Haltung des Pop Öffentlichkeit, daraus gewinnt die wirtschaftlich/politische Öffent-lichkeit Kapital. In der Gegenhaltung der einen, in der Stabilisierung des anderen schreitet die Entwicklung der Gesellschaft einen Weg der Demokratisierung (vgl.