50 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen zu machen, wenn etwa Rockmusiker ihre E-Gitarren dekorieren, jonglieren oder sogar zerstören oder wenn DJs spielerisch Platten zerkratzen und Plattenteller wechseln. Im zeitgenössischen weltweiten Technologie-Spiel ist ohnedem überhaupt nicht klar, wer spielt und mit wem gespielt wird« (SHUSTERMANN 1994, S. 266 Anmerkung 115). Als die unmittelbare Vorform der Künste, die technologische Mittel zur künstle-rischen Anwendung bringen, nennt Frank POPPER die »kybernetische Kunst der sechziger Jahre, die in großem Ausmaß Technologien einsetzt, um ein Spektrum von Bewegungs- und Lichteffekten zu kreieren« (POPPER 1991, S. 249). Den entscheidenden Übergang vom mechanischen zum elektronischen Zeitalter in der Kunst sieht POPPER in jenen Entwicklungen, die »Bewußtsein, Program-mierung und Umweltintegration von Wahrnehmung« (POPPER 1991, S. 249), also kognitive Wahrnehmung – ein Terminus der naturwissenschaftlichen Sprache – in die Entwicklung von Technologien zur künstlerischen Verwendung einfließen las-sen. Damit ist wiederum die enge Koppelung naturwissenschaftlichen Denkens als Basis für Technologie und die im Laufe des wissenschaftlichen wie künstlerischen Denkens im 20. Jahrhundert immer dominanter werdende Wahrnehmung im Zen-trum der Erklärung. Freilich liegt dieses kognitive Verständnis weit entfernt von jener durch physikalisches Denken beherrschten Vorstellung von Wahrnehmung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die zur Begründung der Ästhetik als Disziplin der Wahrnehmungsforschung geführt hat (FECHNER 1876). Als konkrete Übergangsformen nennt POPPER die kinetische und lichtkinetische Kunst, wobei vor allem die Verwendung des Neonlichtes ästhetische Fragestellungen zum Ausdruck bringe, die mit der technologischen Entwicklung einher gehen, die »Bewußtmachung der Energie und Vitalität moderner Existenz« (POPPER 1991, S. 251). Diese Aussage erinnert stark an jene der italienischen Futuristen. Der Gebrauch des Laserstrahls und die Verwendung des Hologramms markieren wichtige Schritte auf dem Weg von den technoiden mechanischen zur elektronischen und Medien-Kunst. Video-Kunst thematisiert dabei den gemeinsamen Fokus des künstlerischen In-teresses: die Wahrnehmung der durch Wissenschaft ermöglichten technologischen Extensionen des Körpers und seine Interaktionen mit der durch Technologien verän-derten Umwelt, dessen Gestaltung in den digitalen Künsten schließlich willkürlich wird. Video-Kunst ist die Wahrnehmung der technischen Extension des Blicks und dessen Reflexion auf eine virtuell werdende ›Wirklichkeit‹. Video-Kunst hat eine Sonderstellung auf dem Weg zur Verwendung elektronischer Technologien in der Kunst. Sie nutzt einerseits die billige und im Handling unkom-plizierte Technik, um damit spontan Handlungen von Environment-, Performance-, Action- oder Body-Art Künstlern zu dokumentieren, wobei diese Dokumentationen durch die Möglichkeit der Verarbeitung von Magnetaufzeichnungen rasch künst-lerische Eigenständigkeit erlangen. Verfremdung, Überlagerung und beginnende Bild-Synthese führen die mit dem Schnitt (z. B. im abstrakten Film) begonnene Virtualisierung der aufgezeichneten Real-Welt weiter. Die Realtime-Technik der Aufzeichnung und Wiedergabe erlaubt vor allem Feedback-Schaltungen, die als Implikation der technischen Möglichkeit die un-mittelbare Veräußerlichung der »Wahrnehmung« von Ereignissen erlaubt und damit