52 Von der Achtung des Besonderen zur Be-ob-achtung des Allgemeinen Die digitale Simulation von Dingen der Außenwelt hat die Möglichkeit der Video- Kunst perfektioniert, nicht aber prinzipiell verändert. Zusätzlich zur unmittelbaren Rückmeldung von Wirklichkeit erlaubt die elektronische Manipulation ihre Umge-staltung bis hin zur Neukonstellation; erst die Willkürlichkeit digitaler Codes wird dann – zumindest theoretisch – neue ›Wirklichkeiten‹, virtuelle als parallele zu den realen und mixed Realities als mit diesen verschmolzen zu erzeugen vermögen, sofern nicht der Wille des Gestaltenden in der Gestaltung durch Imageries aus der Erfahrung der Welt der Dinge und damit in einem (Psycho-) Physikalismus gefangen ist. Simulation verwendet zwar oftmals psychologische Termini, sie basiert aber letzt-lich dennoch auf der Nachzeichnung der physikalischenWelt, die abseits ihrer Gesetze variierbar wird. Eine inhaltliche Revolution ist zu erwarten, wenn der Weg von der physikalischen Bestimmung unseres Denkens tatsächlich zu einer psychologischen gelangt ist, an diesem Denken arbeiten Wissenschaft und Kunst seit der Einführung der Naturwissenschaften. Dadurch ist die Illusion, die gezielte Imagination von Inhalten möglich, eine neue, abseits der physikalischen Vorgaben existierende Welt, eine virtual Reality ist erzeugbar. Kognitive Wahrnehmungsforschung erkennt die Triggerung von kognitiven Implantaten (Erfahrungen) als erlebte Wirklichkeit an. Damit ist die Erzählung über das Medium Wort und seine willkürliche Reihung modellhaft, also die Fokussierung vorgeprägter kognitiver Einheiten von bestimmten Bedeutungen und syntaktischen Elementen und deren Beziehung zueinander. Das beziehende Denken (RIEMANN 1914/15) der Musik überträgt dieses Modell der informationsübertragenden Sprachstruktur auf die autonome, bedeutungsneutrale Gestaltung der Musik und bringt es näher an codierte Wirklichkeit. Virtuelle Reali-täten werden dadurch erzeugt, dass Bewusstseinsinhalte abgerufen werden und zwar nicht durch entsprechende icon-hafte Ereignisse, sondern durch code-hafte, also Ereignisse, die keine adäquate physikalische Bedeutung tragen. Worte sind meist symbol-hafte Anordnungen von syntaktischen Elementen (Codes), die durch lernmä-ßige Koppelung entstandene Bewusstseinsinhalte hervorrufen. Die Grammatik der Sprache, ihre Logik, strukturiert nun Wahrnehmungsinhalte dadurch, dass sie in einen zeitlichen Ablauf eingebettet den Kontext von Begriffen durch die Angabe von Eigenschaften, Verhalten und Beziehungen präzisiert. Ähnlich abstrakte Erzeugung von Bewusstseinsinhalten könnte eine psychologisch determinierte virtual Reality ausmachen. Elektronische Technologie könnte dabei wesentlich genauere Steuerung, also die Grammatik dieses Prozesses leisten. Nicht diese Steuerungstechnologie wäre modellhaft für ästhetisches Erleben, wohl aber das dieser technologischen Einheit zugrunde liegende, mit der Hilfe naturwissenschaftlichen Denkens gefundene Wissen um Wahrnehmung als einen bewussten und nicht passiv ablaufenden kognitiven Akt. Präzise Technik dient zur illusionshaften Provokation konkreter Vorstellungsin-halte – eines »Films«, ohne dass entsprechende Bilder sich bewegen, einer »Musik«, WITTGENSTEIN, sprach unter dem Thema »Wahrnehmen wahrnehmen – und was wir dabei lernen können« über »subjektives Empfinden der Wirklichkeit und die Konsequenzen für die Kommunikation für immer sensibler werdende Konsumenten« (Werbung Aktuell Nr. 297, Wien 30. Mai 1994).