2 Der Weg in die Postmoderne 2.1 Parallele Sicht der Wirklichkeit: Unsicherheit als Gesetz in der Wissenschaft – plurale Identität in der Kunst Mit dem Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert wendet die Wissenschaft den Blick dem Subjektiven zu (WELSCH 1996, S. 186ff.), der Physikalismus weicht dem Psychophysikalismus, das Lernen bringt die Vorstellung völliger Machbarkeit auch als zeitweise die Politik bestimmende Haltung in die Wissenschaft ein, Kognition stellt erstmals die Sichtweisen zueinander; spezifische Methoden erlauben diesen vernetzten Blick; die Erkenntnis paralleler, praktikabler »Wahrheiten« ist die Folge. Das Subjekt und damit seine Individualität tritt ins Zentrum. Der Blick wendet sich vom Ding auf seine Wahrnehmung und damit dem Mechanismen der Wahrneh-mung zu. Gerade aus der Wahrnehmungsforschung entwickeln sich experimentelle Humanwissenschaften, die heute auf der Basis kognitionstheoretischer Ansätze das komplexe Erleben und seine individuellen Ausformungen zu erklären versuchen. Lernen ist dabei die ausdifferenzierende Größe; Lernen wird verstanden nicht bloß als verhaltensmodifizierender Vorgang, sondern als ein Prozess, der die neuronale Basis der Wahrnehmung prägt. Analyse- und Strukturierungsprozesse der Wahrnehmung sind vorgegeben, nach welchen Qualitäten diese suchen und strukturieren ist gelernt. Die Einbindung dieser Lernprozesse in soziale und kulturelle Prozesse manifestiert sich dann in neuronalen »Verschaltungen«, in spezifischen Denkweisen. Die Erweiterung kognitiver Ansätze um motivationale und handelnde Prozesse, um komplexe (Inter-) Aktionen differenziert nicht nur individuelles Denken und subjektive Einstellungen, sondern fügen diese einerseits mit konkretem Verhalten, andererseits mit phylogenetisch gelernten Manifestationen, bedingt durch unsere Körperlichkeit, zusammen. Kognition vereint sich mit individuell sowie mit phyloge-netisch Gelerntem in der Wahrnehmung und damit der Erkenntnis (vgl. RIEDL 1980, 1985, 1987). Damit findet Pluralität ihre Streubreite, zugleich ihre gemeinsame dynamische Basis. Die Entwicklung der Methoden erlaubt erst den wissenschaftlichen Blick von elementaristischen Stimulus-Response-Verbindungen auf komplexe Vernetztheiten von jeweiligen Gestalten in einem Prozess ihrer Herausbildung. Dazu war die Adap-tion der in der Physik auf die Beobachtung von Materie erprobten Methode des Experiments auf (individuelles) menschliches und zugleich (historisch mitbeding-tes) soziales Verhalten notwendig sowie die Entwicklung entsprechend sensibler mathematischer Beschreibungs- und Erklärungsmodelle. Durch die Herausbildung multifaktorieller, systemischer Methoden wurde der Blick auf das Zueinander der Dinge möglich, ihre Veränderlichkeit fassbar. Mit dem Einblick in systemisches und dynamisches Verhalten bildete sich ein plurales Bild der Wissenschaft: Der vielfältige und unstete Blick ermöglicht nun, Vielfalt zu erkennen und Veränderung zu sehen. Die Wissenschaft erkennt an, dass es nicht nur die eine Wahrheit gibt,