60 Der Weg in die Postmoderne der Logik, das Abrücken von der Monokultur des Sinns und das Abrücken von der Prävalenz des Sehens« (WELSCH 1993, S. 82). Was all diesen Autoren gemeinsam ist, ist ihr eigenes Verfallensein dem Primat des Visuellen, von dem es abzurücken gelte. Das Schließen der Augen, das Öffnen der Ohren klingt aber bei WELSCH bereits an. Er fände nicht nur den akustischen Hörraum als ein brauchbares Paradigma des Net-Space, Klang als ein Paradigma des Dynamischen, er fände die Logik des Auditorischen in Musik formalisiert und in Musik jene Erhabenheit der Kunst des Denkens; Musik ist »beziehendes Denken« (RIEMANN 1914/15). Es ist aller Musik eigen, dass sie nicht abbildet und dass sie letztlich frei ist von einer mechanistischen Logik als Hervorbringung der visuell kontrollierten Körper-Umwelt-Interaktion. Die auf Verneinung von Inhalten bezogene Haltung des l’art pour l’art hat ein autonomes Verständnis in der Nähe der Kunst des Denkens ideologisiert, die die absolute Musik formalisiert. Dass letztlich in jedes Denken Erfahrungen sinnes-spezifischer Wahrnehmung des Verhaltens der Dinge eingehen (vgl. LEVY 2000), macht die Abkehr von der Monokultur des Sinns und eine Sicht von Denken als Immaterielles problematisch. WELSCH (1993) führt in Übereinstimmung mit LYOTARD vier Kriterien postmo-dernen Denkens an; ein Denken, das eigentlich aus der Überwindung der Bildenden Kunst mit ihrer wesenhaften Verknüpfung mit der Dinghaftigkeit der Welt und allen Implikationen kommt, das hingegen immer das Denken der Musik war. Er schreibt die Formulierung dieses Bruchs Jean DUBUFFET zu, der eine tiefgreifende Neuorientierung der Bildenden Kunst initiiert, denn »unsere Kultur ist ein Kleid, das uns nicht paßt« (DUBUFFET 1973, S. 68); LYOTARD hat das mehrfache Ab-rücken DUBUFFETs als Kriterien der postmodernen Philosophie postuliert. WELSCH bündelt die Aussagen zu Kunst und Philosophie LYOTARDs (1982, 1985, 1987, 1988) und schreibt ein »Bild der modernen Kunst [. . . ] anhand der fünf Aspekte Dekom-position, Reflexion, Ästhetik des Erhabenen, Experiment und Pluralität« (WELSCH 1993, S. 86). Der Geburt der postmodernen Philosophie und zugleich einer postmodernen Ästhetik, da jene diese Philosophie ausmachenden Kriterien auch als Wesensbestim-mende der Neuen Künste apostrophiert werden, aus dem Geist der modernen Kunst soll ein an der Musik orientiertes Denken beigestellt werden. Eine Utopie soll entwor-fen werden, wenn Musik als Modellfall für eine Theorie der Neuen Künste erachtet werden würde: Die Überwindung der Einschränkungen und Verführungen durch die Dinghaftigkeit und die Logik des Visuellen und damit der Bildenden Künste wären nicht nötig gewesen. Das Verwerfen der Theorien, der Paradigmenwechsel, ist nur aus der Sicht einer der Dingwelt verhafteten Kunst notwendig. Die aus dem Primat des Visuellen abgeleitete Dominanz der Bildenden Kunst, meist synonym für Kunst, ja sogar Kultur, kratzt an sich selbst. Dies hat durchaus Erkenntniswert für jene, die kratzen; jene, die nicht kratzen müssen, werden in ihrem Denken missverstanden und in ihrem Verhalten, ihrem Tun, ob der Dominanz der Anderen, aufgehalten – der Erkenntniswert jener die Künste dominierenden Bildenden Kunst kann nicht zu Lasten der Erkenntnis der Sache gehen, wenn sich Neue Kunst zur Abkehr von der Spezifität der Sinne bekennt, wie dies in den Künsten des common digit (JAUK 1999b) notwendigerweise realisiert ist. Der