3.2 Der Weg zum Alltäglichen als Gegenstand von Kunst 69 Die unklare Definition der Stereotype E- und U-Musik, in der Alltagssituation als ökonomische Vereinfachung (aber dennoch) vorurteilshaft gebraucht, ist aufgelöst in praktikablen und handhabbaren Unterschiedlichkeiten, die mit den Termini modern und postmodern einher gehen können. Die rationale Synthese steht dem emotionalen Auswahlverfahren gegenüber, das aus den Materialeigenschaften heraus komponierte, in sich geschlossene Werk dem prozessorientierten Gestalten, das Aufklärerische dem Hedonischen, das Moderne dem Postmodernen. In den technoiden Künsten und deren ökonomischem Umfeld könnte die wertende Komponente überwunden werden. Es ist ein beachtenswertes Konzept, die kriterienlos verwendeten, traditionell verhärteten Termini damit von wertenden Vorurteilen zu entlasten. Dieser Kunstgriff könnte auch die Ausklamme-rung des Pop aus dem Bereich der Neuen Künste verhindern. In den Avantgarden, in den Nischen des Kunstbetriebs sich berührend, wendet sich die Medienkunst- Diskussion gegen Pop. In der digital culture finden diese Bereiche notwendigerweise zusammen: Das Allgemeine und damit Verfügbarkeit, hedonische Gestaltung und unmittelbare Körperlichkeit sowie sensorische Stimulans sind tragende Elemente von Pop wie einer Kultur der willkürlich gestaltbaren Codes. Innerhalb des Pop ist das sprachorientierte rationale Verständnis überwunden, nämlich »daß der Mensch wesentlich Geist ist und daß Geist wesentlich sprachlich ist« (SHUSTERMAN 1994, S. 242). Dem aufklärerischen Konzept folgt das hedonische (BOHRER 1979). Nimmt man das Pop-Lied (mit dem Mersey-Beat entstanden, im Folk der Bezeichnung entsprechend verwendet) aus, so ist die pop-musikalische Praxis grundlegend durch Sound auswählende Generierung, durch direkte körperliche Formung von Klang, durch seine körperliche Rezeption geprägt – Techno ist die Kulmination dieser postmodernen Musik. Theoretisch wird der Zugang zu Pop als Stimulans über die Wirkung des Sound vorzuziehen sein gegenüber der Vorstellung, Pop vermittle Bedeutung über Zeichen. Dieser Zugang erklärt Pop als populär, denn in der Rezeption ist eine Kultur auf der Ebene der Signale von spezifischen Lernprozessen unabhängig; dies und die hedonische Besetztheit solcher Signale fördert allgemeine Zugängigkeit. Rock’n’Roll »erreicht dich ohne den Umweg über dein Hirn« zitiert Mark Crispin MILLER (1989, S. 175) John Lennon. 3.2 Der Weg zum Alltäglichen als Gegenstand von Kunst. Pragmatismus des »Kunst lebens« und die Ästhetisierung des Alltags Der Futurismus initiiert die allgemeine Erneuerung. Er bringt die Masse als ge-staltende Kraft in die Kunst ein und damit implizit komplexe selbstorganisierende Regelsysteme. Direkt wendet er sich gegen elitäre bürgerliche Kunstformen und öffnet das Denken an eine Kunst der Masse für die Masse. In der bewussten Miss-achtung des Gewordenen durch beispielsweise das Dilettieren sieht er die Methode, abseits des evolutiven Schaffens durch das Weiterführen vorgeprägter Denkpfade, Neues zu entdecken. Er setzt einen revolutionären Schritt und eröffnet damit die