72 Vom Aufziehen eines hedonischen Weltbildes Situationen oder Handlungsmuster in exemplarischer Symbolik bewußtseinsfördernd steigern sollen« (SCHNEIDER 1996, S. 220). Vor allem dürfte der Pragmatismus als amerikanische Philosophie einer amerika-nischen Kulturform basale Theorie sein: Theorie der amerikanischen Alltagskultur, generalisiert als Pop-Kultur. Die Grundzüge des Pragmatismus sind wesensbe-stimmend für die Pop-Kultur: Hedonismus, Umbewertung von Alltäglichem als massenhafte Erfahrung. SHUSTERMAN baut auf diese (durchaus sinnliche) Erfah-rung seine Sicht vom Populären als Kultur. »Die Kunst als Erfahrung neu zu denken, ist der Grund für meinen Versuch, die künstlerische Rechtmäßigkeit der populären Kultur zu verteidigen, und sie liegt auch dem ethischen Anliegen zugrunde, durch die Gestaltung des Lebens als Kunst die Schönheit zu leben. Kurz gesagt, die Kunst als Erfahrung neu zu definieren befreit sie vom beengenden Würgegriff der institutionell abgeschiedenen Praxis der schönen Kunst« (SCHUSTERMAN 1994, S. 60). »Schließlich führte die historische Trennung von Kunst und Leben zur verarmen-den Ent-Leibung der ästhetischen Erfahrung, indem ihre Verbindung mit leiblichen Energien und Begierden zurückgewiesen wurde, indem die ihr eigene Freude im Gegensatz zu den sinnlichen Freuden des Lebens definiert wurden. Seit Kants Bestimmung, daß das ästhetische Vergnügen völlig ›unabhängig von Zauber und Gefühl‹ sei und ›keine empirische Befriedigung mit seinem Bestimmungsgrund ver-mischt sein‹ darf, hat die philosophische Ästhetik die Erfahrung der Kunst auf einen Weg der körperlosen Vergeistigung gesetzt, auf dem kräftiges und weithin geteiltes wertschätzendes Genießen weg-verfeinert wird zu der blutleeren und distanzierten Kennerschaft einiger weniger. Wenn die rechtmäßigen Freuden der hohen Kunst zu geisterhaft und zu asketisch für die meisten geworden sind, werden Ausdrucksformen, die uns die stärksten Freuden vermitteln, typischerweise zur bloßen Unterhaltung herabgestuft. Die Auffassung von Kunst als Erfahrung kann als Antwort auf all diese Probleme, die sich aus dem angenommenen Abstand zwischen Leben und Kunst ergeben, verstanden werden. Als Erfahrung ist die Kunst offensichtlich ein Teil unseres Lebens, ein besonders lebendiger Teil der von uns erfahrenen Wirklich-keit « (SHUSTERMAN 1994, S. 53). Diese Worte argumentieren nicht nur für das Allgemeine und das Alltägliche, sondern auch für Erfahrung als hedonische Form. Damit lässt sich SHUSTERMANs Argumentation mit der naturwissenschaftlichen Sicht der Ästhetik »von unten« (FECHNER 1876) wie der aus ihr hervor gegange-nen psychobiologisch begründeten experimentellen Ästhetik (BERLYNE 1970, 1971, 1974) vereinen und mit der Theorie von Pop als Körperkultur – selbstverständlich mit Pop(-Musik) als Körperpraxis (WICKE 2000). »Da seine begriffliche Bestim-mung der ästhetischen Erfahrung zahllose Dinge (mit)abdeckt, die normalerweise nicht für künstlerisch gehalten werden (so etwa Zimmer aufräumen und sportliche Betätigung), gelingt es ihr nicht, den genauen Inhalt und die Reichweite unse-rer Kunstauffassung wiederzugeben« engt SHUSTERMAN (1994, S. 25) DEWEYs Pragmatismus ein.. Das Happening begleitet vorerst abseits von theoretischen Manifesten im tat-sächlichen Kunstverhalten die allgemeine Wende vom – bis dahin noch immer romantisch angehauchten, weil an den einzelnen Schöpfer gekoppelten – Ich-Denken zum Wir-Denken, das die Ideologie – wenn auch nicht das Verhalten – der späten