84 Populäre Kultur und ihre Musik ist Klang und Struktur sowie originäres musizierendes Verhalten durch körperliche, hedonische Prozesse geregelt. Hedonismus ist auch gestaltende Kraft der digital culture. Die Willkürlichkeit der Organisation von Codes ist abseits der algorithmisch prozessualen Steuerung hinsichtlich der Rezeption durch hedonische Prozesse »einengbar«. Mit der hedonischen Bestimmtheit der formalen Eigenschaften, mit der Rück-entwicklung der Gestaltung zur unmittelbar körperlichen geht eine Allgemeinver-ständlichkeit und Popularisierung der Künste einher. Kollektives Kunstverhalten wirkt als weiterer lustvoller Verstärker in diesem Prozess der Popularisierung der Künste. Für das Wir-Verständnis der sechziger Jahre, für Interpassivität in Raves und Parades seit den achtziger Jahren ist hedonisches musikbezogenes Verhalten modellhaft. Von der einen Seite als Instrument der Affirmation, von der anderen Seite als Mittel zur Gegenhaltung bewertet hat Pop selbst die Symbiose zwischen herrschendem System, seinen Kommunikationsstrukturen, und dem subversiven Anspruch der Subkultur thematisiert. Pop baut heute sein eigenes theoretisches Gebäude auf, aus dem er seine politische Kraft erhält, bzw. erachtet das alltägliche Handeln der Masse aus tausend Ebenen als gesellschaftsverändernde Macht. Dabei hat sich die dominante Sicht von Sound als Zeichen des Widerstands zu Sound als Katalysator körperlicher Agitation gewandelt. Pop-Kultur ist letztlich eine Kultur von Zeichen und Katalysatoren, deren lustvolle Besetzung einerseits und Stimulans andererseits sie als hedonische ausweist, die damit zu ideologischen Veränderungen verführt hat. Sound ist in diesem Spiel ob seiner asemantischen Existenzform ein wesentlicher Teil. Die klangdominierte Pop-Musik strukturiert primär jene Eigenschaften, die erregend erlebt werden. Diese unmittelbar emotionale Qualität von Musik, ihre Farbe, prägt Zuwendung zu ihr und zu den mit ihr erstarkenden elektronischen Massenmedien. Es ist die Farbe der Musik, die motivational wirkt, Konnotationen lenkt und soziale Stim-mungen zumindest verstärkt. Pop-Kultur, speziell die Pop-Musik, ist mit diesen elektronischen Medien in vielfältiger Weise wechselseitig verwachsen. Die Massenme-dien nutzen Musik als primären Bindungsfaktor, Pop-Musik ist auf diese Funktion optimiert und dadurch innermusikalisch wie durch den Gebrauch von Medientech-nologie bestimmt. Authentische Pop-Musik wiederum benutzt jene Mechanismen zur Distribution ihrer Haltungen. Der funktionale Aspekt von Sound/Musik im Gefüge der populären Kultur ist Zentrum des Interesses nachfolgender Argumentationen unter Beachtung experi-menteller Forschungen. Sound wird dabei als ursprünglich apragmatisch, als frei von einschränkenden Aspekten aufgrund eines Gebrauchswerts, als vor jeder zeichen-haften Besetztheit unmittelbar konnotativ wirkendes Stimulans betrachtet, dessen Wirkung im Kontext überformt, dessen präsentative Qualität (vgl. LANGER 1942) im Verein mit ikonischen Aspekten überhöht werden kann. Damit wird die unmittelbare Ausdrucksweise des Körpers anstelle seiner idealisti-schen Extension, der Sprache, als Basis für Musik zentral beachtet. Die Analysen rekurrieren auf den Klang-Körper-Bezug einer originären Musizierweise wie der entsprechenden Rezeption, sie rekurrieren weiterhin ob der Allgemeingültigkeit dieser Bezüge auf deren kommunikativen Wert. Damit besitzen Ausdrucksverhalten