88 Populäre Kultur und ihre Musik sechziger Jahren kennzeichnet die adoleszente Phase, die (in my generation, The Who 1965) den Stellenwert des jugendlichen Individuums in einer von ihm zuneh-mend gefordert mit zu gestaltenden Gesellschaft neu definiert. Punk als agitatorische Pop-Form abseits der aufklärerischen Schreibtischkultur der späten sechziger Jahre hat den Grundstein zum politischen Handeln gesetzt; die Revolten von Zürich und Berlin in den frühen 80er-Jahren fußen am Punk-Feeling. Nach dem Scheitern der neuen Lebensformen in den sechziger und siebziger Jahren, den Sex- und Drogen-Kommunen wie den kollektiven Musikproduktionen (Greatful Dead, Abbey Road), wurde der gesellschaftliche Straßenkampf nun mit den Mitteln der politischen Deklaration zum Parlamentarismus in neugegründeten politischen Parteien »gekämpft«. Dieser wurde zuvor gleichsam basisdemokratisch mit der kleinen Stimme (DIEDERICHSEN 1993) erprobt und avancierte in ihrer darin identifizierbaren Repräsentationsfunktion zum primären Pop-Widerstandsphänomen der Allgemeinheit. Das naturverbundene gemeinsame Leben der Hippies, die mas-senhafte Stadtflucht danach sind nicht nur adoleszente soziale Utopien, sie sind auch Vorboten der Grünen Bewegung. Was zuvor als Gegenhaltung pubertär rotzig, adoleszent illusionär propagiert wurde, wird nun von einer mittlerweile erwachsen gewordenen Pop-Generation als Alternativen programmatisch formuliert und in alternativen Parteien institutionalisiert. Hedonismus war dem Pop stets eingeschrieben. Seine Ausformung hat sich vom lustvollen Ausagieren zum lustvollen Verweis auf Widerstand entwickelt und schließ-lich gänzlich vom aufklärerischen Gehabe befreit zur alleinig lustgewinnenden Handlung. In diesem Umfeld mutierte Pop-Musik von der aktivierenden Tanzmusik der 50er-Jahre zum zeichenhaften Pop der (späten) 60er-Jahre, schließlich zum kör-perlich stimulierenden Techno. Ihre musikwissenschaftliche Betrachtung, durch das Zusammenfallen des herrschenden Sprach-Modells mit dem verweisenden Charakter der Musik der 60er Jahre begünstigt, geht vom Primat des Zeichens und dessen Verstehen hin zum Primat des Stimulans und seiner Wirkung. Der Wandel der wissenschaftlichen Erforschung innermusikalischer Aspekte von Pop-Musik geht mit der Einsicht in ihre geänderte Funktion als »Wirk«-Kraft in einer zunehmend mehr emotional als rational bestimmten Kultur einher. Pop scheint das Paradigma zu sein scheint, das auf die gesamte Alltagskultur ausstrahlt (vgl. SCHULZE 2000). Die No-Future-Haltung, der soziale Aspekt von Punk (in Gegenüberstellung zum Medienkunst-Aspekt der Dekonstruktion des symbiotischen Bezugs zwischen Sub- Kultur und Medien) gepaart mit Agitation markiert den Übergang von der lustvollen Destruktion zur lustvollen Passivität, die in der Interpassivität des Techno-Gehabes zur Reduktion auf das lustvolle Ich unter Benutzung des Kollektivs als Verstärker der Erlebnissituation zum Ausdruck kommt. Das »weiße« aufklärerische Spiel kippte ins »schwarze« hedonische, das dem Pop stets als Projektionsfläche der Sehnsüchte galt. Rock’n’Roll der Tanzhalle, Soul, Funk bis zu Disco sind wesenhaft charakterisiert durch erregenden rhythm & sound als aufwiegelnde Stimulans – von der persönlichen Bewegtheit zur sozialen Bewegung über Erregung und damit körperliche Bewegung. Pop-Sound ist physikalische Erregung, die mit physiologischer Erregtheit/Bewegtheit einhergeht; ihre allgemein verständliche, vorsprachliche Kommunikationsfähigkeit, ihr Signalcharakter, bindet Sound in soziales Geschehen ein und verstärkt emotionale Bewegung/politische Bewegung und fördert schließlich ein emotionales politisches