92 Populäre Kultur und ihre Musik Musik und stellt dabei den Star in den Mittelpunkt, es färbt diesen mit dem entsprechenden Image. Erweitert um die konnotative Besetzung des Stars ist der Videoclip die Fortführung der visuellen Musik, der filmischen Experimente Fischingers, seiner non-narrativen Gestaltung sich bewegender bildlicher Formen, die schließlich Kurt Kren als Modell für die willkürliche zeitliche Gestaltung im abstrakten Film genommen hat. Der non-narrative Videoclip bezieht sich auch explizit auf die synästhetischen Experimente zur Stimmungsverstärkung. Multimediale Formen mutieren hier zur parallelen Sti-mulation mit bedeutungsneutralen intensiven Stimuli aus der psychedelic scene um die Fabrik Andy Warhols. Diese führen über die technische Koppelung von Audio-und Videosignal und schließlich über das common digit (JAUK 1999b) zu Verschmel-zungen im multisensorischen Techno-Event. Stimulans anstelle von verweisenden Zeichen oder Bedeutungsträgern sprachähnlicher Funktionalität unterstreichen den funktionalen Aspekt des erregenden Spiels mit syntaktischen Elementen, in denen sich Sound and Light und nicht Musik und Bild gegenseitig im interpassiven Kontakt innerhalb der Masse zum individuellen sensorischen Erlebnis verstärken. Der Videoclip wie der multisensorische Event sind technisch ermöglichte Stimu-lantien – sie sind darin paradigmatisch für Pop. 1.2.4.3 Pop-Sound und der Gebrauch von Medientechnologie Pop ist eine Musizierform, die wesentlich an technische Instrumentarien gebunden ist, die aus der Studiotechnik und den Übertragungstechniken gleichsam als akzep-tierter hackerartiger Gebrauch sowie durch technischen Missbrauch hervor gegangen sind. Die Verstärkung der Gitarre hat das damit einher gehende, eher körperhafte Musizierverhalten im akustischen Feedback, einem Artefakt aus dem technischem Missbrauch, gebracht anstelle des Umsetzens von musikalischen Zeichen in Klang. Selbst dies geschieht unter Nutzung eines stets anklingenden Feedbacks durch Abziehtechniken und das Tapping. Direkte Soundformung geht vor melodisches Gestalten. Hohe Lautstärken und Klang-Intensitäten sind nicht nur notwendige side effects der Beschallung immer größer werdender Publikumsareale, sie werden zu technisch ermöglichten musikalischen Parametern von immersiver Qualität. Die Entwicklung der elektronischen Instrumentarien und die Etablierung des Stu-dios als Instrument geschah in den Avantgarden der elektronischen Musik/musique concrète/Computermusik. Neue Klangwelten durch neue (den Klang selbst kom-ponierende) Syntheseverfahren, neue formale und zeitliche Gliederungen durch maschinelle Struktursynthesen sowie das direkt körperhafte Musizieren waren in den Avantgarden erprobt, wurden aber vorerst aus der pop-musikalischen Pra-xis ausgeklammert. Das Nachstellen des Sounds und der spezifischen Spielweise der Elektrogitarre, die Ideologie des Ersetzens von natürlichen Klängen und das Spielbarmachen solcher Klänge führten zur Steuerung über die Klaviatur (und Modulations-Wheels), der am Modell des natürlichen Klangs erarbeiteten syn-thetischen Klänge am Mini-Moog, zur Triggerung der Samples von akustischen Instrumentarien im 12-tönigen System, zur Sequenzerstellung zuerst liedhafter Pop-Formen später repetitiver Patterns durch den Computer und dessen betrieb-systemeigener Manipulationsmöglichkeiten. Erst die Realtime-Klangverarbeitung am allgemein verfügbaren PC ermöglichte die musikalische Gestaltung von Samples,