1.2 Definitorische Aspekte von Pop und Musik 93 deren Effektierung und willkürlich gestaltende Verarbeitung im Techno. Körperhaf-te Formung des Klanges beschränkt sich derzeit noch auf einfache Interfaces. Die technische Simulation von interpretativem Verhalten, der Einzug der körpereinbe-ziehenden Schnittstellen in die computer games dürfte eine Brücke schlagen zum körperhaften Musizieren einer körperhaft rezipierten Musik. Die Übertragung des Prinzips der wechselseitigen Spannungssteuerung zur Klang-manipulation am Synthesizer auf die maschinelle und (algorithmische) Struktursyn-these, die Orientierung an kommunikativen Ereignissen zur technischen Gestaltung aus kommunikativen Prozessen sind »maschinelle« Spielweisen, die musikalische Formen im Grenzbereich von Pop und Computermusik in der digital culture mar-kieren. Obwohl Medium der Gegenhaltung ist Pop mit den affirmativen Medien dop-pelt verwachsen: Über die Technologie der Medien wie deren Mechanismen der massenpsychologischen Wirkung. Pop gebraucht deren Technologie, Pop-Sound ist Produkt des Studios als Instrument, Pop hat durch seine Verwachsung mit den elektronischen Produktionstechnologien und jüngst Distributionstechnologien der Medien die Avantgarden der elektronischen Musik wie der Computermusik populär gemacht und ist darin die Avantgarde der elektronischen digitalen Künste. Nach MIDI-Triggerung im Sequenzer, nach der Klangerzeugung durch Sound-Cards am Home-PC leistet heute der allseits verfügbare Lap-Top Realtime-Pop-Musizieren im Verbund mit authentischen Gitarren der Gründerzeit, bzw. mit deren (nun auch) computergenerierter Simulation des Vintage-Sounds. Pop stützt sich heute als wieder erstarkte Amateurszene auf die medientechnischen horizontalen Distributionstechniken. Einer grundlegenden Gegenhaltung folgend ist die Benutzung von High-Tech dabei meist der kritische Fingerzeig auf Faktoren der öffentlichen Sicherheit und Kontrolle, die Nutzung von Low-Tech entspringt eher dem Fingerzeig auf die Wegwerfgesellschaft. Die Verwendung von Low – Tech und die Hacker-Haltung vermischten sich in den frühen sechziger Jahren im Amateurismus der kontinentalen Szene. Die ers-ten Pop-Amateure, die Skiffle-Musiker, bastelten sich ihre Instrumente selbst. Die kontinentaleuropäische Beat-Generation betrieb in der Imitationsphase nicht nur technischen Missbrauch, sondern Missbrauch, der sich erst in der wissenschaftlichen Reflexion als Umdeutung von Zeichen bewerten lässt (was früher eine Tugend aus der Not war): der Volksempfänger, mittlerweile zumindest technisch empfangs-schwach, wurde mit den berühmten Bananenstecker zum Verstärker des Sounds der Gegenhaltung – seine geringe technische Qualität machte ihn rough und punkig. Pop hat Einweg-Empfangsgeräte, das Meldeorgan des Deutschen Reichs, völlig bestim-mungsfremd zum Gerät der Verstärkung anglo-amerikanischer Musik verwendet. Der Volksempfänger gewährleistete nicht nur Einbindung der einen Generation ins Dritte Reich, er brachte durch seinen Missbrauch der Generation danach handlungs-orientierten Zugang zur internationalen Jugendbewegung.