94 Populäre Kultur und ihre Musik 1.2.5 Pop als sozialer und politischer Gegenentwurf – seine Symbiose mit den Massenmedien Pop-Musik ist nicht nur angepasster Teil in der emotionsbestimmten Funktionsweise der Massenmedien, Pop-Musik ist nicht nur Output des Gebrauchs von Medientech-nologie gegen die Gebrauchsanweisung, Pop bedient sich zum eigenen ideologischen Nutzen jener Methoden, die mit dem zur Einwegkommunikation gestutzten Radio als politischer Apparat autoritärer Staaten erarbeitet wurden. Heute, in offenen demokratischen politischen Systemen, arbeitet Pop mit subtiler Verführung und initiiert Netzwerke und communities über identitätsstiftende wie kollektivierende emotionale Qualitäten von Sound. Pop baut als imageprägender Sound auf die Verführung und ist damit Medium der Hörerbindung – im Dritten Reich ebenso wie in heutigen wirtschaftlich bestimmten Jugend-Musik-Sendern, die letztlich vom Verkauf der beworbenen Produkte leben. Einerseits ist Musik zu verkaufendes Produkt, andererseits ist diese imageträchtige segmentierende Werbefläche für andere Produkte. Wurden im Dritten Reich über Musik direkt politische Images konnotiert, so geschieht dies heute im Umweg über Wirtschaft und die Erregung von Bedürfnissen. In dieser wirtschaftlich und politisch motivierten Verführung zum kontrollierten Ausleben von Bedürfnissen über emotionale Qualitäten findet eine wechselseitige Infiltration von Ideengut aus avantgardistischen Randzonen und dem Mainstream der Gesellschaft über die Massenmedien statt – zum Profit aller Beteiligten. Musik, der Sound of Pop, ist in diesem Gefüge funktionale Größe der Erregung von Konnotationen, weniger medialer Träger von Botschaften als Stimulans. In diesem Konnex wird Pop-Culture in der vorliegenden Arbeit verstanden und damit eingegrenzt auf das im Postwar-Amerika zur Stabilisierung des kapitalisti-schen Systems entstandene Konglomerat zur Scheinbefriedigung von jugendlichen Sehnsüchten, bzw. später explizit geäußerter politischer Forderungen. Die neu ent-standenen elektronischen Medien brachten den einen wirtschaftlichen Nutzen, den anderen Distribution ihrer Gegenhaltung. Mit den Medien wurde nicht nur eine sich gegenseitig benutzende hackerartige Beziehung zum jeweils eigenen Erfolg eingegan-gen, die (technischen) Bedingungen der Medien haben als Inhalt wie Methoden die Ästhetik der Jugendkultur neu bestimmt. Pop hat durch seine Verwachsung mit den Funktionsweisen der Medienindustrie früh den »gestaltenden« Charakter vermittelter Information und diese im Verein mit der massenmedial gestützten Erzeugung von Images und Stars thematisiert; gerade in der postmodernen Pop-Musik sind die auf Marktnischen und Trends abgestimmten Rollen von Stars ein wichtiges Thema. Pop ist darin die populär-machende Avantgarde der Medienkünste, die die Konstruktion von Wirklichkeit über Information bearbeitet – Image, die konnotative Qualität von Musik, ist dabei bestimmende Größe. Durch diese Ehe mit den elektronischen Medien grenzt sich Pop-Culture von den Jugendkultur-Massenbewegungen früherer Tage ab, wo Führung Ziel und Methode war. Die medienbestimmte Jugendkultur ab den fünfziger Jahren ist durch Verführung als Methode bestimmt. Als Alltags-Massenkultur grenzt sie sich auch von der Volkskultur durch ihre klare wirtschaftliche/politische Bestimmung und mediale Vermittlung ab (FRITH 1981)