98 Populäre Kultur und ihre Musik 1.2.6 Pop ein Spiel mit emotionalen Konnotationen und social signs 1.2.6.1 Pop – ein erregendes Spiel mit besetzten Signs Dick HEBDIDGE (1979) arbeitet im Meaning of Style die sozialen und politischen Bezüge zwischen den Haltungen sozialer/ethnischer Gruppen und der sie definie-renden Musik heraus – er wertet die Musik dabei als Zeichen. Die Verbindung von politischen Bewegungen und deren Musik spricht für die distribuierende Nutzung des populärsten aller Medien der Jugendkultur. Die Unterschiedlichkeit der Musiken und der Jugendkulturen bei gleichzeitiger Homogenität der konnotativen Elemente spricht für die Einengung der Willkürlichkeit der Bezüge auf den ikonischen (im Sinne semiotischer Erklärungen), auf jenen der Stimulans (im Sinne funktionaler Ansätze). Sie erachten die Musik bevor sie zeichenhaft überformt wird (WICKE 2002) als stimulierenden Teil eines sozialen/politischen als emotionalen Konzepts (JAUK 2002a). Den anderen Signs der Pop-Culture gegenüber hat Musik den Vorteil, nicht pragmatisch zu sein und per se nichts zu bedeuten: Abseits des sprachorientierten Verständnisses von Musik, das der Musik der popular culture als klangdominiert nicht adäquat sein dürfte, scheint ihre unmittelbar funktionale Beziehung klanglich rhythmischer Elemente zu aktivierendem Erleben zu führen. Diese Bezüge weisen Pop-Musik im Gefüge von Pop-Culture als Gegenstand der Systematischen Mu-sikwissenschaft aus, ohne dabei zeitliche und regional bedingte Überformungen zu übersehen. Diesem funktionalen Konzept steht das der Selbstreflexion bei, das durch die Nähe der Pop-Musik zur Pop-Art zuerst in Großbritannien, dann in New York als Avantgarde erschien; Selbstthematisierung wurde mit Glam-Pop und Performance- Pop zu Mainstream. Durch reflexionsartige Stilisierung der »eigenen« Signs, meist als Beute eines semiologischen Guerilla-Kriegs durch Enteignung angeeignet (ECO 1985), werden diese zu identitätsstiftenden Signs von Subgruppen der Kultur. Die dadurch erfahrene Umbewertung der Signs dekonstruiert ihre ursprünglich affir-mative Funktion. Dabei scheint gerade die Dekonstruktion heikler Signs, die die moralische Doppelbödigkeit der kapitalistischen Gesellschaft kennzeichnen, die das Ausgegrenzte als kommerziell verwertbare Ware nutzt, von besonderem Interesse. Die Umdeutung der kriegerischen Uniform zum uniformen Kleidungsstück der von »Love and Peace« singenden Gruppen der sechziger Jahre am Beispiel der Beatles, die Umbewertung des Sado-Maso-Stylings zu Signs des Punk sind solche Dekonstruk-tionen von gesellschaftspolitischen Machtprozessen – der »Herr«schaft militärischer Macht, der »disziplinierenden« Funktion der moralischen Sanktionierung von Sex. Auf dieser Ebene ist Pop-Culture ein Spiel mit Zeichen. Das spezifisch Neue, das gemeinsame Verständnis der Zeichen, ist in subcultures dabei identitätsstiftend. Ikonische Qualitäten von Zeichen haben erhöhten kommunikativen Wert in der Massenkultur. In ihrer Fähigkeit zur massenhaften Kommunizierbarkeit liegen sie im Übergangsbereich zu den funktional wirkenden und somit allgemeinverständlichen Stimulusqualitäten – gerade diese tragen das konnotative Image der Pop-Culture. De-Kontextualisierung ist das Ergebnis von Re-Semantisierung und Re-Kon-textualisierung durch das Überstülpen von Zeichen in andere kulturelle Umgebungen. »Auf den Weg in die Bedeutungslosigkeit geraten Symbole aber nicht nur infolge häufiger Verwendung, sondern auch dadurch, daß sie wahllos in allen möglichen