1.2 Definitorische Aspekte von Pop und Musik 99 Zusammenhängen gebraucht werden« (POSTMAN 1986, S. 80). Kurzlebigkeit ist insgesamt ein Teil der moden-bestimmten Szene. »Die Vervielfältigung der Optionen erfolgt in immer schnelleren Zyklen. Die neuen Modelle türmen sich in immer schnelleren Folgen auf die Auslaufmodelle. Auslaufmodelle sind wohl bald nicht mehr vom letzten Jahr, sondern letzten Tag!« (GROSS 1994, S. 45). Was sich hier auf die Musik und die sie tragende »Farbe« bezieht, die emotionale Qualität ihres Sounds, kann in gleicher Weise auf die Mikroelemente der Pop-Culture, ihre Signs, gelten. Der Abnutzung von Zeichen steht die grundlegende konnotative Wirkung von Musik und ihrem Sound entgegen – als Signal wirkt Sound basal. 1.2.6.2 Pop – ein Stimulans In der wissenschaftlichen Diskussion erscheint Pop dominant als ein System von Zeichen, meist solchen, die ihre spezifische Bedeutung durch die Umbewertung von Zeichen aus etablierten Bereichen der Kultur erlangt haben, gegen die sich Pop wendet, Zeichen sind jene Medien, die soziale Gruppierungen konstituieren und ausweisen. Dieses Wirkungsgefüge setzt das Verständnis von Zeichen voraus, das sich in Teilkulturen als äußerst fein differenziert erweist (HEBDIDGE 1979). Möglicherweise ist die Dominanz dieses Verständnisses von Pop-Kultur ein Phä-nomen der zeichenhaften und damit letztlich sprachorientierten Sicht von Kultur. Möglicherweise überstrahlen damit die Ästhetik narrativer künstlerischer Erschei-nungen und die entsprechenden Methoden ihrer Analyse die Forschung populärer Musik. Möglicherweise ist sogar die Selbstreflexion von Pop als die Generalisierung zeichenhaft sprachorientierter Ästhetik artifizieller Musik zu denken. Was für jene an die Pop-Art angelehnten Formen der sechziger Jahre und des aufklärerischen Pop danach gilt, ist für Pop als Massenkulturphänomen kritisch zu betrachten. Möglicherweise funktioniert hier Pop primär als emotionales Klima und Sound darin als vorsprachliches Kommunikationsphänomen. Obwohl aus jüngeren an-thropologischen Ansätzen, aus unzähligen sozialwissenschaftlichen Studien viele Auffälligkeiten des Bezugs zwischen Klang und der Rezeption mit sozialen wie ökono-mischen Gegebenheiten sowie wirtschaftlichen und politischen Interessen zu ahnen sind, fehlen systematische Belege und ihre Einbindung in allgemeine psychologische und wahrnehmungstheoretische Theorien. Pop ist eine Körperkultur, Sound darin eine funktionale Größe. Von der histori-schen Hochkulturforschung geschmäht (SCHNEIDER 1993) oder als trivial bewertet (RAUHE 1968), ist Pop-Musik-Forschung in die Musikforschung allgemein über die artifiziellen Formen von Pop eingedrungen, die selbst, wie die musikwissenschaftliche Forschung, Sound am Paradigma der Sprache ausrichteten und Sounds mit Bedeu-tungen belegten, oder Sounds nach Bedeutungen analysierten. Das Bekenntnis zur Soundforschung war nicht nur sprichwörtlich ein »verbales«, das Verständnis von Sound war am Paradigma der Sprache orientiert, seine funktionalen Qualitäten wurden ignoriert und dem Feld der angewandten Image-Forschung überlassen. Von der nicht-musikwissenschaftlichen Forschung wurde der Sound der sounddo-minierten Pop-Musik als dominanter Teil von Pop »erkannt« (RICHARD 2000) und gerade die verführenden Möglichkeiten des nichts-bedeutenden Sounds in Abgren-