100 Populäre Kultur und ihre Musik zung zu den anderen Fetischen der Pop-Kultur, meist visuellen Bedeutungsträgern, heraus gearbeitet. »Für die Klangwelt der Musik gilt [. . . ], dass sie ein Gewebe aus physiologischen und affektiven Stimulationen provoziert, das anschließend in die symbolhafte Ord-nung der Sprache eingebunden wird. An diesem Punkt tritt der musikalische Klang in die gesellschaftliche Welt ein und erhält seine Signifikanz, seine Bedeutung« (SHEPHERD 1992, S. 55). Dort, wo Pop-Musik zeichenhaft wird, verliert sie ihre Spezifität, Bedeutungsneutralität; Bedeutung und Pragmatik machen Sound of Pop zu einem beliebigen Teil von Pop-Kultur – seine Kraft liegt in seinem di-rekten konnotativen Kommunikationswert. Hier liegt der inadäquate Schluss des sprachorientierten Denkens auf Pop-Sounds – diese haben keine Bedeutung, aber Konnotation! Der kultursemiotische und strukturalistisch linguistisch forschende Zugang ist möglicherweise (wenigen) artifiziellen Pop-Formen adäquat – die musizierende Praxis, ihre eigenen Theorien wie die Rezeption weisen diesen allgemein als inad-äquat aus. Die Instrumentarisierung des Ausdrucksverhaltens im Spiel des Pop- Instrumentariums, der unmittelbar expressive Sound originärer Formen des Rock, die auf unverbildeter Oralität gründende Sound-Qualität des Hip-Hop, der pure Driving-Sound des Techno entstehen aus Körperlichkeit und wirken körperlich – die Erforschung der funktionalen Qualität von Sound erfasst seine Konnotation. 1.2.7 Pop – ein emotional sozialisierender Teil der Erlebniskultur Pop-Kultur ist Alltagskultur, die mit zunehmender Horizontalisierung der kapitalis-tischen Industriestaaten einhergeht. Masse und Alltag erhalten nicht nur politisches Gewicht, sie werden bestimmender Wirtschaftsfaktor, damit Ziel ökonomischer Handlungen; die Sättigung der Masse mit Produkten zwingt zum Verkauf stets neuer Images in jeweils kleineren Nischen. Das Produkt wird um die Kategorie Image erweitert, der Notwendigkeit das Bedürfnis angereiht. An die Stelle der Uniformierung von Massen in diktatorischen Regimes tritt die optimal zu nutzende Segmentierung, eine Methode des Kapitalismus – Führung weicht der Verführung; die Methoden bleiben verwandt. Dem anfangs grundsätzlich als Schändung kultureller Errungenschaften der eige-nen, bodenständigen Zivilisation gewerteten Pop tritt zunehmend die Attraktivität des Warenwerts eines wirtschaftlich und politisch bestimmten Establishments ge-genüber. In der Ehe mit den elektronischen Medien entsteht über die Möglichkeit der technischen Speicherung, der Übertragung und der Koppelung mit dem Bild die neue Pop-Kultur als globale Erscheinung mit marktheischenden regionalen Abstim-mungen. Die Übernahme der Pop-Kultur durch die Jugend selbst macht sie von einer gänzlich gelenkten Kultur für die Jugend zunehmend zu einer selbstorganisie-renden Jugendkultur. Diese Übernahme ist auch eine finanzielle und politische: Die einstigen Stars der Gegenhaltung besitzen heute große Anteile an den Mainstream- Medienbetrieben und führen diese nach marktwirtschaftlichen Erwägungen. Sie sind grundsätzlich auf die Masse gerichtet – nicht als Mittel der politischen Aufklärung, sondern zur Optimierung des Verkaufs. Dennoch: das Gefühl von Horizontalisierung und Zufriedenheit steigt, denn der Wunsch der Käufer nach Bedürfnissen wurde in