1.2 Definitorische Aspekte von Pop und Musik 101 Marktstudien erhoben, in Werbestrategien geformt, das Angebot ist die Erfüllung der Wünsche. Hier agiert Wirtschaft als in einem ausschließlich emotionalen Klima – Pop ist bestimmender Teil darin. Neben anderen Medien des Pop spielt vor allem Musik die tragende Rolle in dieser emotional bestimmten Welt (vgl. SCHULZE 2000). Ihre Asemantik, ihre emotionale Funktion macht sie im Konglomerat von politisch-wirtschaftlich bestimmten Images zur bedeutenden Einflussgröße, während andere Teile der Pop-Kultur durch ihre Pragmatik in ihrer Emotionslenkung eingeschränkt sind (vgl. RICHARD 2000). Die wissenschaftliche Reflexion spiegelt den Werdegang wieder und macht die Trivialkultur zum symbiotischen Spiel zwischen Affirmation und Dissidenz, der Anspruch von Authentizität einer stets älter und etablierter werdenden Jugend (SCHULZE 2000) wendet sich schließlich zu einer hedonischen Kultur einer jüngeren Generation, die ihre Reflexion als Teil ihrer selbst erachtet. Zum Postulat von Kultur als Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse gesellt sich zunehmend das Verständnis von Kultur als bedürfnisschaffendes Leben, eine produktorientierte Kultur mutiert zu einer Erlebniskultur, dem Verständnis von Kul-tur als Zeichensystem stellt sich das eines emotionalen Klimas bei; sprachorientierte theoretische Vorstellungen von Musik weichen darin zunehmend funktionalen. Pop ist die populäre Kultur, die Alltagskultur der Gesellschaften in stark urbani-sierten, technologisch orientierten, westlichen Industrieländern mit kapitalistisch-liberaler Marktwirtschaft und demokratischen politischen Systemen. Solche Länder haben nach ELIAS (1976) ein weit fortgeschrittenes zivilisatorisches Stadium er-reicht. Die starke Ausdifferenzierung der urbanen Gesellschaftsstruktur geht mit hohen sozialen Interdependenzen einher. In diesem Zivilisationsprozess herrschen enge Beziehungen zu kollektiven Gefühlslagen und zugleich zur Manifestation der psychischen Dispositionen einzelner Individuen. Der langfristige Wandel der gesell-schaftlichen Strukturen impliziert auch eine Wandlung der Persönlichkeiten, die diese Gesellschaft konstituieren. Pop-Kultur ist eine emotionale Kommunikationsform – bevor Pop zeichenhaft informiert bewegt er. Pop als emotionales Konzept kann als Hervorbringung ei-nes zivilisatorischen Prozesses nach Elias betrachtet werden – Pop spiegelt den »Nationalcharakter«, den »nationalen Habitus« (ELIAS 1989) wider, der mit der Affektökonomie und der damit einhergehenden Generierung wie Rezeption von Pop verbunden ist; diese Phänomene unterliegen dann noch einem zeitlichen Wandel und sind schichtspezifisch zu differenzieren. Als Prozess der Zivilisation sieht ELIAS (1976, 1983) das Zusammenspiel zwischen sozialer Position und der Ausbildung affektiver Standards. Unterschiedliche Schichten sind geprägt durch unterschied-liche Formierung des Affekthaushaltes. Zunehmende Affektkontrolle ist ein Teil der kulturellen Bewegung in der Hierarchie des sozialen Status, die Verfeinerung der Sitten fungieren als ein Distinktionsmechanismus. Elias zeigt dies am Beispiel der Aristokratie, die über nuanciertere und besser ausgebildete Affektkontrolle verfügte als das Bürgertum und andere sozial niedriger stehende Schichten. Was für Affekt-Schamstandards im Verhalten funktionierte, funktioniert auch für affektive Standards von Gegenständen und Musikstücken. Mit dem Niedergang der Aristokratie und dem Aufkommen des Bürgertums fallen Standards. In dem neu zu bestellenden Terrain agieren Künstler als kulturelle Wortführer einzelner