104 Populäre Kultur und ihre Musik ihrer Wissenschaft – die Reflexion ist von soziologischen, wirtschaftlichen und medientechnischen Interessen initiiert und von der Musikwissenschaft über die Pädagogik, möglicherweise einer restaurativen, aufgenommen worden. Erst allmählich und dies mit einer doppelt sozialisierten Forschergeneration sind adäquate Forschungsansätze entwickelt worden, die die methodischen Implikationen des Besonderen, des Einzigartigen, des Gesetzten überwunden haben und die Integration der Pop-Musik-Forschung in die popular culture zunehmend erlauben. 1.3.1 Die Ahnherrn der popular culture-Forschung Die Classicists werten Pop-Culture als eine fortschreitende Entwicklung und Verän-derung der Kultur zumindest seit der Antike. Das Motiv sei Unterhaltungswille, demnach gebe es Pop-Culture seit es Gruppen von Menschen gibt, die sich unter-halten lassen wollen. Mit der Ausbildung von Kommunikationsformen habe sich die popular culture ausgebildet. Popular culture ist demnach sehr alt und zunehmend komplex. »As the way of life of a people, popular culture has existed since the most primitive times, when it was simple and uncomplicated. It has obviously become more complex and sophisticated as means of communicating and ways of life have developed.« (BROWNE zitiert nach NACHBAR & LAUSE 1992, S. 11). Modernists (wie z. B. Russell B. NYE 1970) sehen in den Implikationen der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Schritt zur Entwicklung populärer Kunstformen. Menschenmassen, Geld und mechanics sind die Triebfedern der popu-lar culture, einer neuen Kulturform. Das enorme Anwachsen der Bevölkerung im damaligen Europa erbrachte eine große Anzahl von Menschen, die Industrialisierung fokussierte sie um die Produktionsmittel, die Städte, und organisierte sie zu Massen. Die Landflucht zerstörte tradierte Kulturformen, in den Städten erwuchsen neue. Ein Teil der Städter profitierte von der Industrialisierung. Die dadurch entstan-dene Mittelklasse erfüllte sich ihre neue Kultur mit Geld. Mechanics waren auch die Mittel, um Mitteilungen der Kultur an die Massen weiter zu geben in Form schneller Druckerpressen; es waren Kommunikations- und Distributions-Strukturen, die später von den elektronischen Massenmedien prinzipiell weitergeführt wurden. Einig sind sich Classicists wie Modernists, dass popular culture an Menschen-massen gebunden ist und eine kommerzielle wie repetitive6 Kulturform ist. Der Unterschied besteht in der Bewertung ihrer Entstehung – nicht eine alte Kulturform habe sich geändert, sondern eine neue sei entstanden. Einen an konservativen Werten orientierten Standpunkt nehmen die Critics ein, wenn sie meinen, dass unter Kultur »the best that has been thought and written« (ARNOLD 1869 zitiert nach NACHBAR & LAUSE 1992, S. 13) zu verstehen sei und abendländische Kultur der Schlüssel gegen Anarchie und Barbarei sei. Allan BLOOM (1987) postuliert Kultur als »peak expression of man’s creativity« und erstellt einen Kanon von zeitlosen Kriterien, deren Studien jeder Generation die immerwährende Wahrheit zu erlernen erlaube. Abseits dieser ideologischen Haltung beobachten die Cameras hingegen das, was da ist. Der Wissenschaftshaltung 6 Das Repetitive geht mit dem Kommerziellen einher. Dinge der Popularkultur werden als Güter produziert mit dem Ziel, Geld zu machen. Die Selbstimitation verfolgt dabei die Hoffnung, was einmal zum Erfolg führte, vermöge dies wieder (Jack NACHBAR & LAUSE 1992, S. 10).