1.3 Forschungsansätze im Bereich der popular culture 109 1.3.3 Der Strukturalismus und die naturwissenschaftliche Sicht Am Beispiel des Wrestlings sieht Roland BARTHES (1979) den allgemeinen Mythos der ewigen Sehnsucht nach sicherer und einfacher Moral, nach Gut und Böse, zeichenhaft repräsentiert. In seiner Aufsatzsammlung Mythologies entwirft er die Technik, wie die Semiologie auf Produkte der Alltagskultur angewendet werden kann – mit der Annahme, es handle sich um Zeichensysteme, die detailliert analysiert werden könnten; eine Verfahrensweise, die zuvor nur auf die hohe Kunst anwendbar schien. Mit seiner Methode öffnet Roland BARTHES auch den Blick auf die Psychologie des Betrachters (von Massenkultur) und urteilt nicht über die der Masse. Er entlarvt die Moderne als Folge der (menschlichen) Forderung nach Sicherheit, intellektueller Distanz, hierarchischem Denken und öffnet damit das Tor zur Postmoderne. Als Strukturalist (in Abgrenzung der auf unterschiedliche Weise am Bewusstsein ori-entierten Philosophen des Frankreich seiner Zeit, dem Existentialismus und dem Marxismus), der eine spezifische Interpretation der Linguistik von Ferdinand de SAUSSURE (1916/dt. 1967) vornimmt, geht BARTHES davon aus, dass die Oberfläche (sprachlicher) Äußerung von einem tieferen inneren Code bestimmt sei. Diese tiefe Struktur anhand der Äußerungen der populären Kultur zu finden, bedeute, sie zu erklären. Dem Wrestling, wie anderen Phänomen der popularen Kultur, liege als tiefste Struktur der gemeinsame Feind bürgerliche Kultur zugrunde. Der Strukturalismus minimiert mit der Annahme, aller Ausdruck sei Zeichen, mög-licherweise die Bedeutung des Phänomens »Betrachtung« selbst. In der populären Kultur verwehrt die Sicht auf die Struktur den zentralen Aspekt des beobachteten Phänomens: Es ist lustvolles Verhalten. Die Rückführung aller Zeichen auf eine tiefst-liegende Bedeutung oder psychologische Funktion ist zugleich die Rückbesinnung auf die Tradition der Moderne, auf lineare Entwicklung und Konformität. Die tief liegende gesetzesmäßige Struktur sei eine, wie sie sich dominant in Sprache manifestiert; damit baut der Strukturalismus auf ein Sprachverständnis. Dem emotionalen Grund aber gilt das Interesse einer Kultur, die nicht mit Zeichen medial »aufklärt«, sondern mit Images »verführt«. In Anlehnung an psychoanalytisches Verständnis seien solche Strukturen elementa-re symbolische Repräsentationen, denen eine tiefer liegende treibende Kraft zugrunde liegt – hier wird der Begriff »jouissance« auf Klang als elementares Zeichen übertra-gen. Andere Strukturalisten führen diese elementare Struktur mit parasprachlichen Kommunikationsformen zusammen, wie sie Roland BARTHES (1979a) in Anlehnung an Julia KRISTEVAS »Geno-Text« mit »Diktion« zur Analyse interpretatorischer Prozesse einführte, eine Vorstellung (des emotional Ausdruckhaften), die sich auf die musizierende Form Pop übertragen ließe. Naturwissenschaftsähnliches Gesetzesbemühen findet sich mit anthropologischen Kommunikationstheorien zusammen. Dies sind adäquate Versuche der Annäherung an die Erklärung des Spezifischen von Pop-Kultur und von Pop-Musik. Symbolische Qualitäten von Strukturen als Bedeutungsträger werden um die ikonische Qualität erweitert. Kultursemiotik stellt die Adäquatheit des Ikons vor das Symbol – letztlich findet die Umdeutung des sprachorientierten Denkens, nicht seine Überwinden statt. Funktionale Bezüge im kommunikatorischen Verhalten werden nicht angedacht. Die Orientierung an Musik anstelle von Sprache könnte nach SHEPHERD (1992) ein