110 Populäre Kultur und ihre Musik Überwindung der Einengung kultureller Kommunikationsprozesse, wie sie durch Sprach-Modelle bedingt sind, erbringen, wenn man seine »physiologische und af-fektive Stimulation« in den Blickpunkt rückt, seinen Signalcharakter, wie dies die Anthropologie sehen würde, seine Asemantik, wie das Pop-Kulturforschung außer-halb der Musik dem Klang als tragenden Teil der Pop-Kultur zuschreibt (RICHARD 2000, SCHULZE 2000). Diese materialimmanente ikonische Qualität lässt sich ausdruckspsychologisch als Korrelat emotionalen Verhaltens deuten, als Laut und Verhalten, die eine Emotion begleiten. Dabei können die vier Grundtypen menschlichen Ausdrucksverhaltens (LORENZ 1965, EIBL-EIBESFELDT 1979) nämlich Imponiergehabe, Zärtlichkeit, Aktivität und Passivität möglicherweise auf die OSGOOD’schen (1957) Dimensionen Potency und Activity zusammen gefasst werden und Ausdruck und Konnotation zu-einander gebracht werden. Dass vor allem Erregung mit dynamischen Elementen von Musik einher geht, ist experimentell belegbar (HARRER 1973; HARRER & HARRER 1985), phylogenetisch gestützt. KNEPLERs (1977) Theorie vom Ursprung der Musik rekurriert auf diese Klang-Körper-Koppelung: Klang ist das Korrelat (emotionaler) Erregung, Musik seine kulturelle Überformung. Letztlich ist Klang physikalische Erregung, die als Erregung spürbar wird – neben kognitiven Qualitäten ist es die In-tensität (WUNDT 1874) eines Klanges, die direkt auf das physiologische System wirkt und hedonisch erlebt wird: Die psychobiolgische experimentelle Ästhetik BERLYNEs (1970, 1971, 1974) bezieht sich darauf, Techno baut seine parawissenschaftliche Musiktheorie auf diese materielle Qualität von Sound und ihre direkt körperliche Erlebnisqualität. Allgemein ist Pop in Rezeption wie Generierung in soziale und politische Prozesse funktional eingebundene Körpermusik. Diese funktionale Sicht, die letztlich empirisch untermauerbar ist, wird der sprachorientierten Theorie tief liegender allgemeiner Strukturen gegenüber gestellt werden. 1.3.4 CCCS – die empirische Sicht von der linken Position WILLIAMS (1958) war, wie einige Mitglieder des Wiener Kreises zuvor, in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Arbeit verquickt implizit Soziales, Kulturelles und Politisches. Sie richtet sich gegen »social and cultural poverty« und gegen »conser-vativism «. Kultur bedeutet für ihn »the whole way of life« – ähnlich der Position des amerikanischen Pragmatismus von DEWEY (1988), ähnlich jener künstlerischen Haltungen, die in Anlehnung daran John Cage7 in Amerika und Joseph Beuys in Europa explizit mit der Gleichung Kunst = Leben, Leben = Kunst postulieren, die SHUSTERMAN (1994) als Kunst leben formuliert – eine Avantgarde, die letztlich Pop verwirklicht hat. Das CCCS nimmt grundlegend ein authentizitätstheoretisches Konzept von Pop- Kultur an (HALL & WHANNEL 1964). Pop wolle Ideologien transportieren und könne dies. Er vermittle jene, die allgemein als Gegenhaltung gegen etablierte Normen der Erwachsenenwelt bzw. als Alternativen zu diesen zu bezeichnen sind. Aufwiegelnde 7 Im Zusammenhang mit der Partizipation im ausdruckshaften Tanz postuliert Cage die Aufgabe, das Publikum nicht in eine »spezielle Welt der Kunst einzuführen, sondern in eine offene, unvorhersehbar sich wandelnde Welt des Alltags« (zitiert nach Claudia FLEISCHLE-BRAUN, 2001, S. 123)