1.3 Forschungsansätze im Bereich der popular culture 111 Aktivierung ist der experimentell fassbare Indikator dieser Gegenhaltung; mit ihr spielen die politisch und wirtschaftlich bestimmten Kommunikationsformen der Öf-fentlichkeit; dieses Spiel wiederum macht sich die Pop-Kultur (mitspielend) zu nutze: Sie hat es als Rock’n’Roll zu ihrem Etablieren und Überleben genutzt, als Punk auf subtile Art benutzend demaskiert, und gebraucht es als Techno-Kultur – respektlos jene Eigengesetzlichkeit nutzend jedoch nicht internalisierend – als distribuierenden Träger. Andererseits lebt die mediale Öffentlichkeit auch von der Pop-Kultur und kontrolliert sie gewissermaßen auf der von ihr bereitgestellten Spielwiese. Pop und Wirtschaft/Politik, repräsentiert durch die Massenmedien, leben in antipodischer Symbiose, durch die gegenseitig fruchtbringende massenhafte Vermarktung von Gegenhaltung: Größtmöglicher finanzieller Gewinn und Machtstabilisation geht mit größtmöglicher Distribuierung und Machtdestabilisierung einher. Gleichsam als teilnehmender Beobachter mit der methodischen Position des An-thropologen studierte Richard HOGGART (1963) die Arbeiterklasse, aus der er selbst stammte. Ihr strenges Selbstbewusstsein ist dem einer »kämpfenden« Gruppe sehr ähnlich, die sich mit hoher interner Konsistenz nach außen abgrenzt. In der mündli-chen Tradition ist diese Ideologie mit Vorurteilen behaftet und von Halbwahrheiten geprägt. Intern ist das Leben von privatem Verhalten und Individualität bestimmt, die anekdotenhaft gepflegt werden. Vor allem erkennt HOGGART eine Tradition der Arbeiterklasse, den gelebten Hedonismus. Der Autor meint, dass das Vergnügen (pleasure) der Arbeiterklasse zu Massen-Vergnügen tendiere, wo jeder »wants to have fun at the same time« (HOGGART 1963, S. 140–1, 143–4). Eine Beobachtung und Interpretation, die mit BARTHES’ (1979) kollektivierendem Treibenden, das allen populären Formen als Kraft zugrunde liege und BENJAMINs (1968) Auffassung einer allgemeinen Präferenz von gleichzeitigem kollektiven Vergnügen einher geht. Die Massenmedien benutzen die selbstkonstituierenden Werte der Arbeiterklasse. Sie machen das hohe Gruppenidentitätsbewusstsein zum Gleichheitsgefühl des com-mon man, des gemeinen Menschen. HOGGART schreibt der amerikanisch bestimmten Art der Massenmedien zumindest die Verstärkung des Konflikts der Generationen zu, weil sie die Kultur der Jugend propagiere. Das Amerikanische sieht HOGGART im Formalen, in der die Wahrnehmungswelt der Menschen verändernden, zunehmend visuellen und damit bildlichen (anstelle zeichenhaften) Sprache. Aus dem Kreis der LEAVISten hervorgegangen, haftet HOGGART’s wissenschaftlicher Arbeit nicht deren wertende Elite-Haltung an. War Pop-Kultur-Forschung bislang ein Derivat der Hochkultur-Forschung und getragen von der bürgerlichen Kultur, deren spezifische Sicht zu bestimmten Wer-tungen verführte, hat HOGGART (selbst Kind der Arbeiterklasse) die Wendung hin zum wissenschaftlichen Blick auf die Arbeiterklasse aus ihr selbst heraus vollzogen. Diese ideologiewendende Introspektion geschieht im traditionsreichsten Land der Ar-beiterkultur zu einem Zeitpunkt, in dem die pop-musikalisch geprägte Jugendkultur dorthin emigriert war, im Großbritannien der sechziger Jahre. Die interne Konsistenz der Arbeiterklasse wird zum Wir-Mythos der Pop-Kultur, die externe Abgrenzung zum konstituierenden Element der Gegenhaltung; Generalisierungen der von den Medien geprägten Sicht der Arbeiterklasse verstärken eine linke Dissidenzideologie der Jugendbewegung der sechziger Jahre. Dieses Spiel mit der vereinfachenden