114 Populäre Kultur und ihre Musik Methode der experimentellen Variation erkundet wurde, indem es vom gewohnten in einen anderen Kontext versetzt wurde. Damit wird auch die Umbewertung der Zeichen im semiologischen Guerillakrieg (ECO 1985), das kontextvariierende Spiel des Pop der Moderne der sixties als postmoderne Methode bewertet – Glam-Pop und Performance-Pop der 70er Jahre spielen dieses Spiel dann in einem postmodernen pluralen Rollenspiel. In der vielfachen Bewertbarkeit der Dinge läge jene Betrachtungsform, die einer pluralistischen Gesellschaft entspreche. Das Symbol wird zum Zentrum der durch Kommunikation geleiteten Postmoderne, nicht die Form als Größe der Funktion. Wie die gotische Architektur die Fassade als »billboard« vieler Zeichen vor einen relativ ungeschmückten, kleinen Raum setzt, arbeitet die postmoderne Architektur in der »decoration of construction« wie dies RUSKIN nach COOK & WEDDERBURN (1904) in seiner Bewunderung für die Gotik nannte. VENTURI, SCOTT BROWN und IZENOUR (1988) wenden dieses Bild parallel auf die multimediale Architektur von Las Vegas an. Die moderne Architektur, die Moderne allgemein, gibt vor, sie ist autoritär ohne Alternativen. Die Postmoderne integriert den Betrachter zum Partizipienten, die Vielfalt lässt individuelle Zugänge offen. Die Moderne zeigt einen Hang zum Autoritären, zur »einzigen« Wahrheit, die von Experten für die Massen fest gelegt wird. Postmoderne ist widersprüchlich, vielfältig und erkennt Hedonismus als steuernde Kraft – individuellen Hedonismus in dem der Andere, das Kollektiv verstärkend wirken, wie dies ähnlich BENJAMIN (1936) formuliert hat, was heute als Interpassivität (WEINZIERL 2000) bezeichnet wird. LYOTARD ist als politischer wie ästhetischer Denker gleichsam auch Schöpfer der Postmoderne. Als französischer Marxist und später liberaler Sozialist hat er die Wende von der Vorstellung einer Zweiklassengesellschaft zu einer pluralen, multikategorialen Gesellschaft in der Folge der 68er Studentenbewegung persönlich und als Philosoph mitvollzogen. Nicht die Klassenzugehörigkeit, sondern die Rasse, die ethnische Zugehörigkeit, Gender, Sexualverhalten, Alter etc. bestimmen den Platz in der Gesellschaft, die in einer postmodernen Zeit durch Wissen, Produktion, Information und Medien bestimmt ist (LYOTARD 1979). Auf der Suche nach der Definition der Bestimmungskriterien postmoderner Philosophie findet LYOTARD die gemeinsame Entwicklung der Neuen Künste und der Postmoderne, er erkennt ihre gemeinsame Wesenhaftigkeit und ortet DUBUFFET als Vater der Moderne, dessen Arbeit den Schritt in die Philosophie der Postmoderne setzt – Ästhetik, Philosophie und soziale Realität zusammenzubringen, sei eine postmoderne Haltung. PEFANIS (1991) sieht jedoch in seiner eigentlichen Haltung der Ästhetik gegenüber den modernistischen Glauben bestätigt. Es ist ein Axiom, dass die intellektuelle und künstlerische Avantgarde der Träger des Radikalen und Transgressiven sei, die Restauration einer Kultur zu verhindern habe und die Quelle der Innovation in einer Gesellschaft darstelle; diese drohe letztlich ob einer Kultur der Mehrheit unterzugehen. Die Massenkultur konstruiert eine Wirklichkeit, die uniform, einfach und kommunizierbar ist und von allen angenommen werden kann. Die Avantgarde verneint diese (vgl. PEFANIS 1991, S. 84–85). Der Afro-Amerikaner WEST (1989) relativiert nicht nur LYOTARDs Diskussion um das »Andere« in der Postmoderne. Er entlarvt dieses als anders bloß aus dem Verständnis der europäischen Moderne. Pluralismus der Postmoderne schließt in den