116 Populäre Kultur und ihre Musik sein um die (bereits von POPPER 1977) eingeforderte Akzeptanz von Unsicherheit; Sicherheitsbestreben führe zu Scheinsicherheit als Nährboden von Ideologien. Pop-Musik als verschlüsseltes Muster von Signs und direkt kommunizierenden Images oder aber als lustvolles intellektuelles wie körperliches Spiel mit Samples von Wirklichkeiten ist dominanter Teil eines kulturellen Konglomerats im Wandel der Zeit und als Wandler des Zeitgeistes. Ohne einseitigen dogmatischen Anspruch ist er zumindest seit den 70er Jahren ein postmodernes Gefüge und seine Analyse ist mit den Theorien und Methoden der Postmoderne verwachsen. Zwischen der Unterhaltungs-Kultur und Postmoderne bestehe eine wechselseitig definitorisch Beziehung wie zwischen Ernster-Kultur und der Moderne (vgl. UNGEHEUER 2002). Pop und die Postmoderne stehen in einem vielfachen systemischen Bezug. 1.3.6 Pop-Theorie als Teil der Pop-Kultur: die wissenschaftliche Sicht von innen Beobachtungen, wie Pop-Kultur gelebt wird, legen am Beispiel der Love-Parade und der unzähligen Raves die Vermutung nahe, dass das, was über Pop-Kultur intellektuell reflektiert wird, Pop-Culture überhaupt erst »erfindet«8. Diese Kreation bringt mehr Einblick hinsichtlich der Art des Denkens über unsere Kultur und nicht direkt über diese selbst. Wohl aber indirekt, denn die Art des Denkens über die Kultur ist Teil der Kultur. Problematisch wird dies hier deswegen, weil Pop-Kultur eben nicht ein Teil dieser allgemein herrschenden Art des kulturellen Denkens ist, wie sie auch die Art anderer Teilkulturen sein mag. Definiert als Gegenkultur arbeitet sie implizit mit den Mitteln der herrschenden Kultur als sie gegen diese ist. Die Umbewertung von Zeichen, allgemein das Dagegen-Sein, sind zeichenhafte Strategien. Damit wäre sie in ein Denken eingegliedert, das ein Verhalten stets als Ausdruck für etwas anderes sieht. Dieses zeichenhafte Verhalten ist zweckorientiert und damit weitgehend in kausales Denken eingebunden, in ein Denken, das Fortschritt mit Fortschreiten assoziiert, letztlich in ein modernes Denken. Postmodernes Denken lässt Parallelitäten zu und ist der Pop-Culture, die sich von der Gegenhaltung zur Alternativen Haltung durch gerungen hat, vermutlich adäquater. Dass moderne Haltungen den Gegenstand nicht erfassen, hat viele dazu verführt, aus der Inadäquatheit des Maßes leichtfertig auf eine Eigenschaft des Gegenstandes zu schließen, er sei trivial. Mit ähnlicher Denkweise, vom Pol der Gegenhaltung aus betrachtet, werden Geschehnisse der Pop-Kultur als Hervor-bringungen von gegenkulturellen Werten hochstilisiert. Möglicherweise sind beide cultural imaginaries der Beobachter. Der Pop-Autor wertet etwas Gegenkulturelles erst auf und dann – wenn es Erfolg hat – ab (vgl. DIEDERICHSEN 1996). Subkultu-relle Normen sind qualitativ keine anderen als hochkulturelle; obwohl erst in der Masse politisch wirksam widerstrebt der Zustand des Populären dem Pop-Denker, der letztlich Elite denkt. Gegenkultur erhebt sich nicht – sie wird erhoben, von der 8 Damit ist einerseits die in der Technoszene als mediale Selbstinszenierung perfektionierte theoretische Existenzart von Popmusik gemeint, wie sie in intellektuellen Magazinen wie SPEX betrieben wird. Andererseits ist es der wissenschaftlich (didaktische) Blick auf das Phänomen, der ein »akademisches Phantom« (HEUGER 1997) mit Stigmatisierungscharakter erst erzeugt, dessen vage Definition das Konstrukt Low-High-Culture eher stärkt als dass es diese – der Pop-Culture akademisch zugeschriebene Haltung – in Frage stellt.