1.3 Forschungsansätze im Bereich der popular culture 117 Theorie. Die Signale des Underground sind selbst keine Zeichen einer Gegenrealität, sie werden erst zu diesen durch die Theorie. Erst jene Haltung, die leben mit Unsicherheit als Lebensprinzip erachtet (die POPPER für die Wissenschaft proklamiert) und damit Pluralität zuläßt, sieht in der Pop-Kultur eine andere, parallele Kultur, die ihr Anderssein zuerst als gegen diese Kriterien der Wertung gerichtet verstand und sich zunehmend emanzipierend ein eigenes erwachsenes Dasein fand und sich kaum um solche Wertungen kümmerte. Sie ist anders und mit den Maßen der einen Kultur nicht messbar – aber deswegen ist sie nicht »trivial«, sie ist anders und nicht auf der Projektionsfläche der herr-schenden Kultur abbildbar, deswegen ist sie aber auch nicht »echt«. Abseits des wertenden Blicks von außen sowie dessen Negation als letztlich ebenso wertender Blick von innen, versteht sie sich als alternative eigenständige Kultur: sie ist, was sie ist, wie dies Nina Hagen in Anlehnung an Erich Frieds Lied auf die Liebe singt. Möglicherweise ist der Terminus Gegenkultur dem Gegenstand Pop-Kultur selbst in den Phasen der aufrührerischen Initiation nicht adäquat; eine Gegenhaltung müsste von beiden Polen ersichtlich sein. Diese moderne Definition und damit Kreation weicht einer postmodernen. Der heutige Blick auf die Pop-Culture enttarnt sie auch meist als Parallel-Kultur, als Alternativkultur und die ist anders und damit nicht den Maßstäben einer anderen Kultur zugängig. Dennoch, diese akademischen Betrachtungen der Pop-Kultur erlauben Aussagen über die Welt der Betrachter und insofern haben die Theorien über Pop-Kultur Erklärungswert, sie umfassen ihre Methoden und ihre Utopien, die sich als Projektio-nen in den Theorie über diese andere Welt manifestieren. Diese cultural imaginaries werden aber letztlich auch zu Wirkungsgrößen werden und tatsächlich eine Kultur erzeugen. Die Kulturwissenschaft beschäftigt sich nicht nur mit Kultur, sie ist selbst Teil der Kultur und bringt schließlich auch Kultur hervor. Die Theorie der Kultur des Populären ist eine jener wirklichkeitserzeugenden Utopien. Als Kul-turwissenschaft, die sogar den Vorzug hat, von den traditionellen positivistischen Sichtweisen weitgehend frei zu sein, weil sie abseits der diese wissenschaftliche Sicht hervorbringenden und tragenden Hochkultur entstand und aus einer Zeit stammt, die diese Einschränkungen als Wissen beanspruchen kann, ist sie sich dieser Verflechtung bewusst: Die Pop-Kultur-Forschung ist deswegen wohl auch die Avantgarde postmoderner Kulturwissenschaften. »Kulturelle Phänomene werden nun nicht mehr als ganzheitliche Gebilde, sondern als kontingente Fragmente und Teilstrukturen rekonstruiert, deren ethnische, soziale, ökonomische, politische und geschlechterspezifische Bestimmungsfaktoren nicht nur sie selbst, sondern auch ihre diskursiven und symbolischen Repräsentationen (Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien- und Popularkultur etc.) konfigurieren« (WUNBERG 1997, S. 4). Pop-Kultur und Pop-Musik haben mehrere Existenzformen. Eine davon ist die Möglichkeit, Ideologien in sie verstärkend zu projizieren. Die Beatles waren (mögli-cherweise einer Ideologie im Zeitgeist manifest folgend) als Gruppe konzipiert und erlaubten deswegen den Wir-Gedanken der 60-er nicht nur zu verkörpern, sondern Projektionsfläche all jener Philosophien zu sein, die das Kollektive im Zentrum haben. Zwar wurde dieses Modell nicht von den vier Musikern gelebt, doch haben Feuilleton und die Wissenschaft diese Ideologien als Existenzformen zum Leben