118 Populäre Kultur und ihre Musik erweckt. Das heißt unabhängig von der persönlichen Motivation des Musikers erhält Musik durch die reflexive Rezeption – eine Mediatisierung – eine neue Gestalt. Bisweilen gibt sich die Welt der Pop-Musik selbst akademisch. Haben die Denker der Pop-Welt der sechziger Jahre all die Interpretationen als Projektionen der bürgerlichen Frager ironisch von sich gewiesen (wie beispielsweise John Lennon), so fühlen sich heute viele Techno-Musiker wohl in der Rolle des scientific Musician, der naturwissenschaftlich die Wirkungsmechanismen seiner Musik legitimierend erklärt und damit den Mythos von Wissenschaft, willentlich oder meist intuitiv überhöht, entlarvt (und damit die Wissenschafts-Gläubigkeit derWelt des Populären bloßstellt). Meist unbeachtet wird in dem Terminus Pop-Kultur ein kleiner Widerspruch mit-getragen, der zu den oben genannten Auswüchsen führt, der Begriff Kultur. Freilich, der Begriff Kultur wäre mutiert und müsste anders verstanden werden, beteuern die Autoren von popular cultural studies und fragen, ob er nicht gänzlich ungeeignet sei, weil er stets, wenn auch nur assoziativ, zur Überstrahlung seiner funktionalen Implikationen, des künstlich Gemachten, Gesetzten, des Werkes verführt. Sind wir nicht, wie DERRIDA meint, »always inside the concepts and philosophies we wish to critique«? (zitiert nach John DOCKER 1994, S. XIV). Lässt sich nicht das, was seine möglicherweise modernistische Sicht der Postmoderne selbstkritisch bemerkt, auch auf die kulturelle Sicht einer alternativen Seinsform generalisieren? »I suspect too that while I have tried to present cultural history as replete with heterogeneity, fragmentation, discontinuity, multiple and conflicting and contesting meanings and values, history as finally undecidable textuality, my arguments probably keeps reintroducing the very notions I’m trying to oppose« (ebenda). Sollte der Begriff Kultur nicht besser ersetzt statt, modifiziert werden – allein durch das Populäre, das dem Volke Eigene, allen Gemeine (im Versuch, das der Natur des Sozialen Anhaftende zu vermeiden). Dann wäre Pop-Culture modellhaft für die Wendung der Kunst vom Besonderen zum Allgemeinen, was sich (im Besonderen) in der Abwendung vom Gesetzten zum kollektiv Geschaffenen und (im allgemeinen) in der Abkehr von Autokratismus und der Ausbildung einer informellen Demokratie im Bedürfnis nach democratization of art ausbildet. Dies ist das Populäre, in dem das Künstliche und das Natürliche keine dichotomen Größen mehr wären, sondern darin vereint, dass das Werden beider durch die Selbstorganisation erkannt wird. In der Musik hat sich in der Folge die Trennung der Pop-Kultur von Pop-Art, die nach ihrem Selbstverständnis das Populäre mit der Kunst zusammenführt und niedrige und hohe Genres vermischt, weitgehend vollzogen: Es wurde das Beson-dere »entmachtend« popularisiert. Dieser Vollzug scheint den Unterschied zum letztlich elitären Postulieren der Popularisierung zu markieren, der sich dann im Wir-Verständnis der sechziger Jahre als Massenbewusstsein etabliert. Aber auch dieser Prozess der Popularisierung wird von den jüngeren Theoretikern der Pop- Kultur letztlich als gemacht, statt geworden, als theoretisch konstruiert und nicht aus sich heraus gewachsen und somit als modernistisch gewertet. Popularisierung wird damit als ein Konstrukt, ein Machwerk weniger Intellektueller und nicht als ein selbstorganisierender, selbstmotivierter Prozess gesehen – letztlich ein Prozess der bewusste Wertung impliziert. Äußert sich darin letztlich restauratives Machtbe-streben der Moderne? Denn Pop-Kultur ist aus ihrer Sicht eine Sache der Wertung,